Mit Verknappung und Geradlinigkeit gestaltet Aki Kaurismäki seine Einstellungen. In "The Other Side of Hope" erzählt er die Geschichte eines Flüchtlings, der um Aufnahme im Gastland kämpfen muss.

Foto: Sputnik Oy

Ein Blick aufs Meer, dann der Hafen, ein Frachtschiff, darauf ein Kohlehaufen. Ein Mann mit rußgeschwärztem Gesicht schaufelt sich langsam frei. Eines der schönen Dinge an einem Film von Aki Kaurismäki ist, dass man diesen bereits an den ersten Einstellungen erkennt; an der Verknappung und Geradlinigkeit, mit der er in starren Aufnahmen ins Geschehen führt und gerade dadurch einen Raum öffnet, in dem reichlich Platz für widersprüchliche Emotionen bleibt.

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The Other Side of Hope (Toivon tuolla puolen) ist der zweite Teil von Kaurismäkis Hafenstadttrilogie. Wie in Le Havre geht es um einen Menschen, der in Europa Zuflucht sucht. Den Syrer Khaled (Sherwan Haji) hat der Zufall nach Helsinki gebracht, wie er in einem längeren Monolog den Behörden erklären wird.

Es ist eine bemerkenswerte, scheinbar ganz simple Einstellung des Films. Ein Mann im Close-up, der alles verloren hat und mit "Stoneface" sein Leben rekapituliert. Kaurismäkis humanistischer Pessimismus, die sperrige Poesie seiner Inszenierungskunst, lässt kein falsches Pathos zu; er dringt ins Herz seiner Geschichten vor, blickt stumm darauf und spielt dann höchstens einen alten Song.

Eine Insel der Solidarität

The Other Side of Hope ist einer der stärksten Berlinale-Wettbewerbsbeiträge bisher, weil er in seinem Stil ganz zur Ruhe kommt. Kaurismäki muss nichts mehr beweisen. Zwei erzählerische Linien laufen im Film aufeinander zu. Während Khaled den Weg durch die Institutionen geht und um Asyl ansucht, beschließt Wikström (Sakari Kuosmanen), ein reisender Hemdenhändler, sesshaft zu werden. Er übernimmt ein heruntergewirtschaftetes Restaurant samt Belegschaft.

Kaurismäkis Figuren buhlen nicht um unserer Sympathien; wenn sie selbstlos agieren, dann nur, weil sie nicht anders können. Mit Wikström, bei dem der inzwischen illegale Khaled Aufnahme findet, zeichnet der Finne das Porträt einer Insel der Solidarität in einer ansonsten hoffnungslos verrohten Gesellschaft.

Roadmovie nach einem Begräbnis

Auch die Filme von Thomas Arslan sind schnell zu identifizieren. Der deutsche Regisseur ist wie Kaurismäki ein Meister des Weglassens, der Konzentration. Doch er setzt auf einen nackten Realismus, der sich eng an Genres bewegt, sie gleichermaßen entrümpelt. Mit Helle Nächte kapert er ein Roadmovie. Vater (Georg Friedrich) und Sohn (Tristan Göbel) sind in Norwegen nach einem Begräbnis auf Reisen. Es ist ihr erster gemeinsamer Trip, eine Zwangsbeglückung für den Pubertierenden, der Versuch einer Wiedergutmachung für den Alten.

Arslan spielt die Standardsituationen nur an, aber die Dialoge klingen trotzdem zu bekannt, die Dynamik bleibt träge. Viel zwingender wird der Film in jenen Momenten, wo er auf Worte verzichtet, die Figuren, die Landschaft beschreibt. Eine lange Fahrt in den Nebel, bis das Bild ganz weiß wird, oder ein an Antonioni angelehntes Finale, in dem sich Vater und Sohn wie zwei Tiere auf Hochwiesen balgen.

Reverenz an Glawogger

Das Bedürfnis, sich von Zielen zu befreien, sich der glücklichen Kontingenz zu verschreiben, ist oberstes Prinzip von Michael Glawoggers Untitled, dem letzten Projekt des Filmemachers, bei dessen Verwirklichung er 2014 verstorben ist. Seine Cutterin Mona Willi hat auf Basis des vorhandenen Materials nun einen Film gebaut, der kein Work in Progress, sondern ein eigenständiges Werk, eine bewegende Reverenz dem Regisseur gegenüber geworden ist.

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Es ist keine geradlinige Reise, die Willi gebaut hat – das wäre auch nicht in Glawoggers Sinne gewesen -, sondern ein Mosaik aus gesammelten Augenblicken, sprunghaft, meditativ, körperbetont. Oft sieht man Tiere, etwa Esel, die sich bespringen. Oft auch junge Männer, die miteinander ringen. Gebäude, in die sich die Geschichte eingegraben hat.

Motive wie das Verschwinden, das Nicht-von-der-Stelle-Kommen, die Beschränkungen durch nationale Zugehörigkeit werden zum roten Faden. Aus dem Off verleihen Glawoggers auch im STANDARD publizierte Texte dem Film eine Subjektivität, die das eigene Sehen reflektiert: ein Geist, der durch die Bilder geht. (Dominik Kamalzadeh aus Berlin, 14.2.2017)