Homburg (Sabin Tambrea) fleht auf Knien um den Siegeslorbeer.

Foto: Rittershaus

Claus Peymann ist einer der Letzten seiner Art. Nicht zu verbiegen. Er wusste, wie man von der Bühne aus Aufregungswellen erzeugt. Einst als Regisseur. Dann als Theaterleiter. In Stuttgart und in Bochum. Schließlich von 1986 bis 1999 vom Wiener Burgtheater aus. Oft nach dem Motto "Viel Feind, viel Ehr". Aber er hatte immer auch Verbündete. Beanspruchte die erste Garnitur von Mimen, Regisseuren und Autoren. Wenn er sich nicht mit ihnen zoffte, hielt er sie hoch. Wie die Texte der Autoren.

Von Wien aus setzte er mit gefletschten Zähnen zum Sprung nach Berlin an Brechts Theater am Schiffbauerdamm an. Mit der erklärten Absicht, auch die dort Regierenden so aus der Fassung zu bringen, wie ihm das in Österreich gelungen war. Doch hier regte sich keiner auf. Sie ließen ihn einfach machen: gute Auslastungszahlen produzieren. Mit Robert-Wilson-Inszenierungen eine neue Abteilung in seinem Brecht-Museum eröffnen. Fleißig Handke und auch die Jelinek uraufführen.

Trends überließ er der Konkurrenz. Er zankte sich lieber mit einem anderen Querkopf namens Rolf Hochhut. Was einigen Unterhaltungswert besaß. Hielt sich doch der zum Vermieter der Immobilie avancierte Dramatiker für ebenso weltbedeutend wie Peymann selbst sich als Theaterpraktiker. Als Provokateur gesprungen und als Museumsdirektor gelandet – als Fazit ein bisschen ungerecht, aber Kritiker ignoriert Peymann sowieso als Besserwisser.

Blick ins offene Grab

Auf seine herrlich inkorrekten Statements wird man wohl auch im bevorstehenden Unruhestand des bald 80-Jährigen hoffentlich nicht verzichten müssen. Zumal er ja oft recht hat. Zum Abschied als Regisseur entschied er sich für Kleists Prinz Friedrich von Homburg. Diesen Balanceakt zwischen Traum und Staatsräson. Bei dem es erst des Blicks ins offene Grab bedarf, damit der Held die Gefahr erkennt, in die er sich selbst hineinmanövriert hat. Und mit der Pointe, dass man alles für einen Traum halten könnte, um mit einem "In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs!" aufzuwachen.

Das passiert Peymann natürlich nicht. So wach ist er auch dann, wenn er sich selbst zum puren Textexegeten stilisiert. Wie schon bei Andrea Breth bleibt auch sein Prinz auf der Strecke. In die nächste Schlacht ziehen sie ohne ihn. Im Dämmerlicht und mit einer bei Achim Freyer eher seltenen Kargheit führt ein Seil himmelwärts bis in den zweiten Rang. Weg vom schwarzen Rund mit verwackelter Horizontlinie.

Die Hilfe, die kam zu spät

Hier balanciert Sabin Tambreas zerbrechlicher, leicht neben sich stehender Prinz. Am Anfang ziehen sie ihn aus seiner träumerischen Schwebe. Das zweite Mal überlebt er nicht. Wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hat, bleibt er oben in den Seilen hängen, Blut schießt ihm aus dem Mund.

Seiner Natalie (Antonia Bill) am Boden ergeht es ebenso. Den berühmten preußischen Schlachtruf hat Peymann weiter vorn im Text versteckt. Doch der spricht eben nicht für sich selbst, sondern changiert zwischen Pathos und ironiefreiem Aufsagen. Bei dem nur Roman Kaminski seinem Kurfürsten Charakter bewahrt und Carmen-Maja Antoni als oller Obrist Kottwitz eine Solonummer eigenen Rechts hinlegt. Dass jetzt die Überlebenden zu Cat Stevens' Hippie-Hymne If You Want to Sing out Sing out in die Schlacht ziehen, ist einer von den Regieeinfällen, mit denen Peymann sonst arg geizt. Doch die Hilfe, die kam zu spät. (Joachim Lange aus Berlin, 13.2.2017)