Zeke Miller hat einen Fehler gemacht. Am Abend des 20. Jänner – der Time-Journalist gehörte zu einer Gruppe von Reportern, die Donald Trump beim Unterzeichnen seiner ersten Dekrete beobachtete – fiel ihm auf, dass eine Büste Winston Churchills an ihren alten Platz zurückgekehrt war. Unter George W. Bush stand sie schon einmal im Oval Office, dann ließ Barack Obama sie entfernen, um sie durch eine andere zu ersetzen: durch den Bronzeschädel Martin Luther Kings, des legendären Predigers der Bürgerrechtsbewegung, den er zentral auf einem kleinen Tisch neben dem Kamin platzierte.

Trump also holte Churchill zurück in sein Amtszimmer, was die Frage aufwarf, was mit der King-Skulptur geschehen war. Als Miller von einem Kollegen darauf angesprochen wurde, antwortete er, dass er sie nicht gesehen habe. Daraus wurde dann im Bericht: "Neue Details zur Dekoration: Abgesehen davon, dass die Büste Churchills zurückgekehrt ist, wird die von MLK (Martin Luther King) nicht mehr gezeigt."

Der Satz erwies sich als unwahr, was Trump einmal mehr zum Anlass nahm, um den Medien einen notorischen Hang zum Lügen vorzuwerfen. Tagelang stand Miller am Pranger, obwohl er versucht hatte, seinen Fehler schnellstmöglich zu korrigieren. Ein Leibwächter des Präsidenten, sagt er, habe ihm wohl die Sicht auf die King-Büste versperrt. Noch am selben Abend bat er einen Bediensteten der Machtzentrale, die Fakten zu checken. Der textete zurück, die Skulptur stehe nach wie vor im Oval Office, worauf sich Miller sämtlicher Kommunikationskanäle bediente, um seinen Irrtum zu berichtigen: Er twitterte, mailte, telefonierte. Entschuldigte sich beim Pressestab des Weißen Hauses. Es änderte nichts daran, dass Trump tags darauf bei einem Auftritt im CIA-Hauptquartier den Patzer zum Anlass nahm, um über ihn herzuziehen. "Zeke also. Zeke vom Magazin Time. Da sieht man wieder, wie unehrlich die Medien sind. Erst eine große Story, dann eine klitzekleine Berichtigung, bei der man sich fragt, wo die überhaupt steht? Gab es überhaupt eine Zeile? Oder machen die sich erst gar nicht die Mühe, etwas zu bringen?"

"Bowling-Green-Massaker"

Knapp zwei Wochen später sitzt Kellyanne Conway zwischen holzgetäfelten Wänden und tischt Chris Matthews, einem Veteranen des Senders MSNBC, eine Räuberpistole auf: Die Medienberaterin Trumps spricht von zwei Irakern, die "ins Land kamen und sich radikalisierten, und dann waren sie die Drahtzieher des Bowling-Green-Massakers". Als sich Häme breitmacht, weil sich in Bowling Green, Kentucky, niemand an ein Massaker erinnern kann, erwidert Conway erkennbar beleidigt, sie habe doch nur ein einziges Wort verwechselt: Sie habe statt "massacre" "terrorists" sagen wollen; sie habe die in Bowling Green lebenden Hintermänner einer Terrorattacke im Irak gemeint und schlicht das falsche Wort gewählt. Wozu die Aufregung?

MSNBC

Abgenommen hat es ihr niemand, zumal Conway zuvor, als Präsident Trump einmal mehr die Zahl der zu seiner Angelobung erschienenen Zuschauer aufzubauschen versuchte, einen Begriff geprägt hatte, der Chancen hat, zum Wort des Jahres 2017 gewählt zu werden: "alternative Fakten".

Im Wahlkampf hatte es Zeiten gegeben, da hing die Presse förmlich an ihren Lippen. Die Tochter eines Lastwagenfahrers aus New Jersey lächelte telegen, sie sprach flüssig, wenn auch häufig zu schnell. Im Umgang mit Journalisten wirkte sie jedenfalls verbindlicher als ihre Vorgänger im Team Trumps, die bisweilen grimmige Genugtuung empfanden, wenn sie einem unliebsamen Medienvertreter den Weg in eine Wahlkampfarena versperren konnten.

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Kellyanne Conway, Beraterin Donald Trumps, prägte den Begriff "alternative Fakten".
Foto: AP Photo/Charles Krupa

Conway, kann man sagen, war eine Zeitlang das nette Gesicht der Kampagne, gern gesehen in den Fernsehstudios. Inzwischen dürfte aber mancher bereuen, ihr derart den Hof gemacht zu haben. CNN etwa ließ wissen, dass man ein Interviewangebot Conways im Rahmen der Sonntagsshow "State of the Union" abgelehnt habe: wegen Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit. Lange hielt der Sender die Attitüde der Coolness aber nicht durch: Tags darauf stand Conway erneut vor einer CNN-Kamera, allerdings wurde sie kritisch befragt, und sie wirkte längst nicht so selbstsicher wie sonst. Der Schuss vor den Bug schien eine gewisse Wirkung zu zeigen.

Spätes Umdenken

Trump und die Medien: Auf gewisse Weise ist es die Geschichte einer verspäteten Fehlerkorrektur. Wie andere Kanäle auch hat CNN dazu beigetragen, den Bauunternehmer so stark ins Rampenlicht des Kandidatenrennens zu rücken, dass er all seine republikanischen Rivalen daraus verdrängte. Der Reality-Show-Star versprach hohe Einschaltquoten. Auch als Kritik laut wurde, dass man einem Populisten mit derart vulgärer Sprache nicht so viel Sendezeit einräumen dürfe, gingen die Trump-Festspiele weiter. Erst heute, da er im Weißen Haus sitzt, scheint ein Umdenken einzusetzen. Vielleicht halbherzig, vielleicht vor übergehend, aber immerhin: Eine gesunde Distanz ist neuerdings nicht zu übersehen.

Noch während des Wahlkampfes dominierte Trump die Titelblätter.
Foto: imago/Levine-Roberts

Wenn es ein Gesicht zu dieser Fehlerkorrektur gibt, dann ist es Jim Acosta von CNN: Eines Abends Ende Jänner sitzt er im Auditorium der George Washington University, um mit Sean Spicer zu diskutieren – dem Sprecher Trumps, inzwischen von Melissa McCarthy bei Saturday Night Live satirisch aufgespießt als Wüterich mit schrillem Kasernenhofton. Kurz vor der Vereidigung hatte er Acosta bei einer Pressekonferenz Trumps angedroht, ihn umgehend aus dem Saal werfen zu lassen. Der Reporter hatte auf seinem Recht beharrt, Trump eine Frage zu stellen, während der ihn behandelte wie ein Monarch, der allenfalls eine journalistische Entourage duldet, aber keine kritischen Fragesteller.

CNN

Spicer, ein früherer Reserveoffizier der Kriegsmarine, drohte Acosta damit, ihn künftig nicht mehr für Pressekonferenzen des Präsidenten zuzulassen. Es war ein Einschüchterungsversuch, dem kurz darauf ein Versuchsballon des Kabinetts Trump folgte: Womöglich wäre es besser, wenn die White-House-Presse nicht mehr direkt im Weißen Haus arbeiten würde, hieß es da. Doch noch sei nichts entschieden, es handle sich bloß um Gedankenspiele...

Sean Spicer, Donald Trumps Pressesprecher, fällt immer öfter mit Einschüchterungsversuchen auf.
Foto: APA/AFP/MANDEL NGAN

Nun sitzt Acosta also vor den Studenten der George Washington University, den Blick fest auf Spicer gerichtet, und hält aus dem Stegreif eine Brandrede: "Sie können uns aus dem Weißen Haus werfen, aber dann parken wir unsere Übertragungswagen draußen auf der Pennsylvania Avenue und bringen exakt dieselben Geschichten", sagt er. "Egal was mit uns passiert: Wir werden verbissen nach der Wahrheit suchen."

Spicer seinerseits setzt eine Beschwerde dagegen, er klagt über die Journaille, die stets das Negative herausstelle. Warum niemand berichte, wenn etwas Positives geschehe, wenn etwa der Präsident Jobs schaffe? Acosta kontert: "Warum hat sich dann in Trumps Kampagne alles nur um Negatives gedreht? Haben wir Journalisten etwa gesagt, Mexikaner seien Vergewaltiger, die das Verbrechen ins Land bringen? Haben etwa wir gesagt, du kannst dich auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen, ohne dass dir etwas passiert?" Nein, Donald Trump habe das alles gesagt. Ob man über all das hinwegsehen solle?

Robert Kraychik

Trump braucht die Presse kaum noch

Steven Roberts leitete einst das Hauptstadtbüro der "New York Times", unter anderem berichtete er jahrelang über den Präsidenten Ronald Reagan. Heute lehrt er an einer Journalistenschule. Nüchtern verweist er auf die Social-Media-Reichweite Trumps, dem bei Twitter 24 Millionen und bei Facebook 21 Millionen Menschen folgen: Der Mann brauche die Medien längst nicht mehr in dem Maße, wie noch Reagan sie als Transmissionsriemen für seine Botschaften nötig hatte. Das ändere aber nichts an der Rolle, die Journalisten gerade jetzt spielen müssten. "Die Grundeinstellung muss sein, dass wir offensiv sind. Sonst steckt uns die Regierung in die Tasche."

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Titelblatt der "New York Post" nach dem Wahlsieg Donald Trumps.
Foto: AP Photo/Mark Lennihan

Vier Tage nach der Amtseinführung titelte die "New York Times", wegen ihrer Seriosität auch "Graue Lady" genannt, bei einem Treffen mit Kongressabgeordneten habe Trump eine Lüge aus dem Wahlkampf wiederholt. Früher, bei einem anderen Präsidenten, wäre das Wort "Lüge" in der Überschrift unvorstellbar gewesen, sagt Roberts. "Heute ist es gerechtfertigt." Im Übrigen, fügt der alte Hase gelassen hinzu, sei Medienschelte nichts Neues: Schon 1964 habe Barry Goldwater, ein stockkonservativer Kandidat fürs Oval Office, Buttons mit dem hämischen Spruch "Liberale Medienelite" verteilen lassen. Und Richard Nixon schrieb einem Berater in zynischem Kalkül: "Wenn wir die Presse mit etwas mehr Geringschätzung behandeln würden, kommen wir vielleicht besser weg."

Die Medien als Feind

Alle Präsidenten der jüngeren US -Geschichte hätten den Fakten ihren eigenen Spin gegeben und sie nicht selten zu verdrehen versucht, schreiben David Uberti und Pete Vernon, Autoren der Columbia Journalism Review, einer Zeitschrift, die die Journalistenschule der New Yorker Columbia University alle zwei Monate herausgibt. Was Trump von allen anderen unterscheide, sei dies: Einst Star einer Reality-TV-Show, behindere er eine faktenbasierte Debatte, wie es keiner vor ihm getan habe. Während all seine Vorgänger die Medien ab und zu beschimpften, porträtiere Trump sie als politischen Gegner, den es zu bezwingen gelte – als Oppositionspartei.

Uberti und Vernon wissen nur zu gut um die Vertrauenskrise, mit der die vierte Gewalt zu kämpfen hat. Nach einer Gallup-Umfrage glaubt nur noch ein knappes Drittel der Amerikaner, dass über das aktuelle Geschehen tatsächlich "umfassend, akkurat und ausgewogen" informiert wird. Mitte der 1970er-Jahre, nachdem Carl Bernstein und Bob Woodward den Watergate-Skandal aufgedeckt und Nixon indirekt zum Rücktritt gezwungen hatten, hatten noch fast drei Viertel die Medien-Vertrauensfrage mit Ja beantwortet.

Trumps Ausbrüche – auch das schreiben Uberti und Vernon – seien kühle Berechnung. Der Mann wisse, dass er damit bei seiner Basis ankomme. Er skizziere die Presse als Teil jenes Establishments, das er zu stürzen gedenke. Aber diese Konfrontation liefere Journalisten vielleicht auch die bittere Pille, die sie nötig hätten für bessere Arbeit. "Die Frage ist", schreiben sie, ob es ihnen, den Journalisten, "gelingt, einen ausreichend großen Teil des Publikums davon zu überzeugen, dass es ihnen vertrauen soll". (Frank Herrmann aus Washington, 11.2.2017)