In Ankara hängten Erdoğan-Anhänger eine Puppe des angeblichen Putsch-Organisators Fetullah Gülen an einem symbolischen Galgen auf.

Foto: APA/AFP/ADEM ALTAN

Wien – Schwere Vorwürfe gegen den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan erhob am Freitag der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz. Anhand interner Dokumente der türkischen Botschaft in Wien, die ihm zugespielt wurden, legte er dar, wie nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli des Vorjahres angeordnet wurde, Erdoğan-Gegner in Österreich zu bespitzeln.

Rund 200 Informanten beschäftigt der türkische Geheimdienst MIT laut Pilz in Österreich. Ziel sei unter anderem die Bespitzelung mutmaßlicher Oppositioneller und kritischer Journalisten: "Die Menschen in Österreich, die nicht blindwütig Erdoğan folgen, sind einer großen Gefahr ausgesetzt, bei der Einreise in die Türkei droht ihnen die Verhaftung."

In einem von Religionsattaché Idris Lap vom türkischen Konsulat in Salzburg unterzeichneten Schreiben erläutert dieser, wie gegen die angebliche "Unterwanderung" der ihm unterstellten "Türkisch-Islamischen Union" (Atib) duch Anhänger der Erdoğan-Gegners Fetullah Gülen vorgegangen wird: "Atib und andere Vereine, die von unserer Direktion Religionsbedienstete beschäftigen, haben alle Bücher, Audiomaterialien, Video-CDs, Gedichtbände, Broschüren, Zeitungen vernichtet", ist in der Übersetzung zu lesen, und weiter: "Durch den starken Auftritt unseres Landes in Österreich und das schnelle Wahrnehmen unserer Landsleute verliert diese (Gülens, Anm.) Organisation immer mehr an Macht, und ihr Genick ist gebrochen."

Gelobt werden in dem Bericht vom 26. September 2016 die Bemühungen der Religionsbediensteten in Tirol, Jugendliche nach der Schule in Atib-Vereinslokalen zu betreuen, um "nationale und geistige Werte" hervorzuheben.

Verstoß gegen Islamgesetz

Seit die Atib 2010 der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich beitrat, sei es ihr gelungen, diese unter ihre Kontrolle zu bringen. Bezahlt wird sie vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) – Pilz geht von einem Budget von 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr allein für Aktivitäten in Österreich aus und ortet darin einen Verstoß gegen das Islamgesetz 2015. Dieses schreibt vor, dass die Finanzierung von Religionsgesellschaften durch diese selbst, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen habe.

Pilz forderte Bundeskanzler Kern, Außenminister Kurz, Innenminister Sobotka und Justizminister Brandstetter zum Handeln auf und kündigte die Veröffentlichung weiterer Dokumente zu Aktivitäten der Erdoğan-Partei AKP im Bildungsbereich an.

Der Sicherheitssprecher hob allerdings hervor, dass die Mehrheit der Austrotürken nicht an diesen Aktivitäten beteiligt sei. So nahmen lediglich neun Prozent der etwa 105.000 Wahlberechtigten an der türkischen Präsidentenwahl 2014 teil. "Die AKP weiß, dass sie die friedliche türkischstämmige Wohnbevölkerung in Österreich nur zu einem kleinen Teil instrumentalisieren kann. Es ist eine Minderheit, und jetzt geht es darum, diese zu finden, zu isolieren und die rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen", so Pilz. Er warf Erdoğan vor, "türkische Verhältnisse in Österreich und Deutschland" anzustreben.

Die Pressekonferenz fand unter Schutz durch ein großes Polizeiaufgebot statt, das Pilz zufolge vom Innenministerium angeordnet wurde. Atib dementierte in einer Stellungnahme gegenüber der "Zeit im Bild 2" die erhobenen Vorwürfe. (bed, 10.2.2017)