Der Ausbau des Flughafen Wien ist "gecancelled". Im Verkehrsministerium zeigt man sich darüber nicht erfreut.

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Verkehrsminister Jörg Leichtfried is not amused.

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Wien – Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hat sich eher kritisch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gegen die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat geäußert. "Das heißt schon, dass es für den Wirtschaftsstandort Einschränkungen gibt", sagte er am Freitag im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio. Das Urteil sei jetzt zur Kenntnis zu nehmen.

Prinzipiell sei das Verkehrsministerium dafür gewesen, dass die dritte Piste komme, betonte Leichtfried. Auch in der Vergangenheit hat sich das Verkehrsministerium immer für den Bau der zusätzlichen Start- und Landebahn am Flughafen ausgesprochen, weil es verkehrspolitisch wichtig sei und für den Standort Wien Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze bringe, hieß es aus dem Ministerium.

Das Gericht habe abgewogen zwischen der Belastung für die Anrainer und der Vorteile für den Flughafen und den Wirtschaftsstandort. Der Rechtsweg sei aber noch nicht abgeschlossen, der Flughafen könne noch etwas dagegen unternehmen.

Öffentlichen Verkehr stärken

Für Leichtfried ist es auch juristisch bemerkenswert, dass scheinbar erstmals Klimaschutz als Grund in das Urteil eingeflossen ist. Für andere Infrastrukturprojekte, etwa im Straßenbau, sieht der Minister bei Ausbauten für die Verkehrssicherheit keine Gefahr, doch bei Neubauten werde sich künftig diese Frage schon stellen. "Ich bin dafür, dass man immer objektiv gewichtet", meinte Leichtfried. Klimaschutz sei sehr wichtig, aber auch Mobilität sei wichtig. Er wolle den öffentlichen Verkehr massiv stärken und im Individualverkehr in Richtung Elektromobilität gehen, um die Emissionen zu senken.

Für den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger, ist insbesondere problematisch, dass das Bundesverwaltungsgericht die ordentliche Revision, also ein ordentliches Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof, ausgeschlossen hat. Da es sich hier um eine neue rechtliche Beurteilung handelte "wäre es wohl indiziert gewesen, die ordentliche Revision zuzulassen", rügt der Jurist im Ö1-Mittagsjournal die BVwG-Richter.

Scharfe Kritik vom Flughafen Wien

Der Flughafen Wien wird indessen alle möglichen Rechtsmittel gegen das Urteil ergreifen. Das Gericht habe den Verlust von Ackerland und die Sorge vor steigendem CO2-Ausstoß über alle anderen Erwägungen gestellt und damit sich selber zu einem "Über-Gesetzgeber" gemacht, kritisierte Flughafen-Vorstand Günther Ofner am Freitag.

"Wenn man das ernst nimmt, heißt das, auch unter dem Gesichtspunkt Bodenverbrauch, es darf kein neues Haus gebaut werden, es darf keine zusätzliche Straße gebaut werden und es darf auf keine Fall eine zusätzliche Betriebsanlage gebaut werden", kritisiert Ofner, denn alle die Projekte würden zu CO2-Ausstoß führen und Boden verbrauchen.

Das würde einem Investitionsstopp gleichkommen, daher müsste der Bundesgesetzgeber darüber entscheiden. Sollte aber aus dieser Überlegung speziell nur die dritte Piste verboten werden, dann wäre das "schwerwiegend diskriminierend", sagt der Flughafenvorstand.

SPÖ verärgert

Aus der Politik kamen am Freitag unterschiedliche Reaktionen. Während sich die Wiener Grünen in einer Aussendung erleichtert zeigten, sprach die SPÖ von einem "gefährlichen Urteil". Bedauern äußerten auch Wien-Tourismus und ÖVP, die FPÖ war erfreut.

SPÖ-Gemeinderat Erich Valentin sah nicht nur ein "gefährliches Urteil", sondern auch eine "Themenverfehlung": "Ich nehme den Entscheid zur Kenntnis, aber mit dem Verweis auf den CO2-Ausstoß kann ich jedes künftige Infrastrukturprojekt ablehnen." Das Gericht habe die Aufgabe gehabt, den Bau der dritten Piste hinsichtlich des Umweltverträglichkeitsgesetzes zu überprüfen. "Eine Beurteilung der österreichischen Klimaschutzpolitik war nicht gefragt", sagte Valentin laut Aussendung.

Grüne und FPÖ erleichtert

Erleichterung herrschte dagegen bei den Wiener Grünen: "Wir setzen uns seit 20 Jahren für fluglärmgeplagte Wiener ein und haben uns auch seit jeher gegen den Bau einer dritten Piste ausgesprochen, im Interesse der Umwelt und der Wiener Bevölkerung", sagte Umweltsprecher Rüdiger Maresch. Die "rote Karte des Bundesverwaltungsgerichts" müsse auch der Bundesregierung zu denken geben.

Auch die Wiener FPÖ begrüßte die Entscheidung: "Die Wiener FPÖ hat viele Jahre gegen den Bau der 3. Fluglärmpiste gekämpft und ist über das Nein des Bundesverwaltungsgerichtes zu diesem Monsterprojekt natürlich hoch erfreut", sagte der nicht amtsführende Stadtrat Toni Mahdalik.

Wissenschafterin sieht wegweisendes Urteil

Erika Wagner, Vorständin des Instituts für Umweltrecht der Universität Linz, spricht von einem wegweisenden Urteil. Noch nie sei ein Projekt mit Hinweis auf den Klimaschutz untersagt worden. "Ehrlich gesagt hat man in der Umweltwissenschaft schon lange auf diesen Schritt gewartet".

In der Umweltwissenschaft habe man schon lange erwartet, "dass endlich einmal ein Urteil sagt, der Klimaschutz ist ernst zu nehmen". Aus Sicht Wagners ist das Urteil "sehr gut begründet, rechtlich haltbar und in Ordnung". Wie aber die Höchstgerichte, die der Flughafen Wien anrufen will, urteilen werden, sei eine andere Sache. "Es müsste halten, aber die Erfahrung der Vergangenheit in großen, volkswirtschaflich bedeutenden Fällen zeigt, dass solche Prognosen auch fehlliegen können".

Ihre Position sei aber klar: "Ich würde es kritisieren, wenn es der VwGH aufhebt, und würde es als Fauxpas am Klimaschutzziel erachten". Bedauerlicherweise seien die Klimaschutzziele als "soft Law" verankert, bisher seien nur Projekte unter Hinweis auf Klimaschutz genehmigt worden (etwa Wasserkraftprojekte), nie aber untersagt. (APA, 10.2.2017)