Für Donald Trump kommt der Gegenwind derzeit aus drei Richtungen: aus dem Kongress, in dem zwar die Republikaner die Mehrheit stellen, die Demokraten aber auf Krawall gebürstet sind. Von der Justiz, die den Antrag der Regierung abgelehnt hat, Visasperren für sieben islamisch geprägte Länder wieder in Kraft zu setzen. Und von der Zivilgesellschaft, die gegen den Präsidenten auf die Straße geht und dabei noch mehr macht, als bloß ihrem Frust freien Lauf zu lassen. Die Zivilgesellschaft probt den Aufstand, und die Revolte gegen den 45. US-Präsidenten kennt ein klares Vorbild: jene gegen den 44. Präsidenten.

Die Stimmung unter liberalen Amerikanern ähnelt jener unter konservativen Amerikanern nach der Wahl 2008. Die Verzweiflung anlässlich der Amtseinführung des progressiven Demokraten Barack Obama war damals groß, aus dieser Sorge heraus entstanden 2009 sogenannte Grassroots-Bewegungen: politische und gesellschaftliche Initiativen aus der Basis der Bevölkerung heraus, lose Bündnisse im ganzen Land, die für Obama aber zum veritablen Problem wurden. Es war die Geburtsstunde der Tea Party.

Demonstrationen gegen Donald Trump vor dem Kapitol, dem Sitz des Kongresses in Washington, DC.
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Anfangs handelte es sich bei der Tea Party – deren Vorbilder die Revolutionäre der Boston Tea Party von 1773 sind – noch um eine kleine Gruppe von Bürgern, die den kulturellen Wandel fürchteten, für den Obama stand. Ging es zu Beginn noch in erster Linie um die Verhinderung der Gesundheitsreform eines Präsidenten, den sie für einen Sozialisten hielten, zog der Protest immer weitere Kreise. Politiker kaperten ihn, um ihre eigenen Anliegen durchzusetzen. Enttäuschte Konservative trafen auf Ideologen, und so wurde die Bewegung nicht nur immer größer, sondern auch immer extremer.

Fundamentalopposition

Als sich die Republikaner zwei Jahre nach Obamas Wahl bei der Kongresswahl wieder die Mehrheit im Parlament sicherten, bestand kein Zweifel daran, auf wessen Kappe der Sieg ging. Die Tea Party war der Beginn der Fundamentalopposition, der einen Teil von Obamas Agenda verunmöglichte.

Tea-Party-Aktivist William Temple trägt die Revoluzzerkleidung aus dem 18. Jahrhundert, als die Amerikaner noch gegen die Briten um ihre Unabhängigkeit kämpften. Hier ist er bei einer Rede des damaligen Präsidentschaftsbewerbers Mike Huckabee bei einer Tea-Party-Versammlung in Myrtle Beach, South Carolina, im Jänner 2016 zu sehen.
Foto: AFP/TIMOTHY A. CLARY

Dass der totale Widerstand ein probates Mittel ist, haben die Demokraten und ihre Anhänger am eigenen Leib erlebt. Nun kopieren sie es.

Ehemalige Mitarbeiter der Obama-Regierung haben im Internet den "Indivisible Guide" veröffentlicht, ein 26-seitiges Handbuch, das Tipps gibt, wie die Trump'sche Agenda verhindert werden kann. Auf dem Cover prangt das Gesicht von Abraham Lincoln, jenem Präsidenten aus den Reihen der Grand Old Party, der als eine der wichtigsten Identifikationsfiguren für das US-amerikanische Selbstverständnis von beiden Parteien verehrt wird.

Vier Kapitel

Die Orientierungshilfe ist in vier Kapiteln gegliedert und beinhaltet Anleitungen dafür, wie Druck auf Parlamentarier ausgeübt werden kann: Aktivisten sollen sich lokal organisieren, Politiker sollen in ihren Wahlbüros aufgesucht, ihnen soll nachtelefoniert und geschrieben werden, bei ihren öffentlichen Auftritten soll Kritik geäußert und für Themen geworben werden.

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Eine wichtige Heldin der Tea-Party-Anhänger ist Sarah Palin, einst republikanische Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, hier bei einer Kundgebung in Indianola, Iowa im September 2011.
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Die Strategie solle nach dem Vorbild der Tea Party defensiv organisiert sein: "Anhänger der Tea Party haben Zugeständnisse an die Demokraten als Betrug verstanden", steht da unter anderem geschrieben. Sie seien vereint gewesen in ihrem Glauben, aber hätten sich erst gar nicht das Ziel gesetzt, eine gemeinsame Agenda zu formulieren. "Sie haben sich darauf konzentriert, immer zu allem Nein zu sagen." Sie "waren vereint in der gemeinsamen Opposition gegen Obama". Das habe die lose Bewegung geeint, so seien ihre Vertreter in den Kongress gewählt und ihre Themen aufgenommen worden.

Wie laut der Protest sein kann, hat am Wochenende Jason Chaffetz, Abgeordneter im Repräsentantenhaus für den Bundesstaat Utah, zu hören bekommen. Hunderte Bürger tauchten bei der von Chaffetz veranstalteten Bürgerversammlung in seiner Heimatstadt Cottonwood Heights auf und schrien: "Mach deinen Job!". Chaffetz ist Mitglied im Justizausschuss und im House Committee on Oversight and Government Reform, dem zentralen Untersuchungskomitee im Abgeordnetenhaus, das mögliche Interessenkonflikte des Präsidenten ausmachen und überprüfen soll. Vorwürfe gegen den Präsidenten Trump gibt es viele, bisher allerdings hat Chaffetz nichts unternommen, um ihnen nachzugehen. Eben das forderten die Demonstranten nun von ihm ein.

Eine Videovorstellung von Indivisible.
Brave New Films

Aber auch die Demokraten, vor allem deren Führung, bekommen die Wut der Aktivisten zu spüren: Nachdem Chuck Schumer, demokratischer Minderheitsführer im Senat, drei von Trumps Kabinettsvorschlägen seine Stimme gegeben hatte, brachte ihm das eine Spontandemonstration vor seinem Haus in New York, in der gar sein Rücktritt gefordert wurde, ein. Schumers nächster Schritt im Senat war eine 24-stündige Dauerdebatte, um so die Bestätigung von Betsy DeVos als neuer Bildungsministerin zu verhindern.

Den Guide gibt es hier zum Download.
Screenshot: Indivisible Guide

"Komplette Ablehnung widerstrebt euch womöglich, uns auch", schreiben die Autoren des "Indivisible Guide". Die "harte Wahrheit" aber sei diese hier: "In den nächsten vier Jahren werden wir die Agenda nicht bestimmen. Trump und die Republikaner werden es tun, und darauf müssen wir antworten." Der beste Weg, um für progressive Werte einzustehen, sei, vereint zu bleiben und sich vereint zu wehren. (Anna Giulia Fink, 13.2.2017)