Drei Ausgaben lang hat "Le Canard enchaîné" nun schon die Affäre um den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon auf dem Cover. Die Auflage stieg um 25 Prozent, Fillons Umfragewerte sanken.

Foto: Stefan Brändle

Alles schien ausgemacht im französischen Präsidentschaftswahlkampf: François Fillon und Marine Le Pen würden Ende April in die Stichwahl vorstoßen, und dort würde der Konservative im Mai klar gegen die Ultranationalistin siegen. Mit Folgen weit über Frankreich hinaus, waren sich die Politologen sicher: Denn mit dem Scheitern Le Pens würde die Populismuswelle nach dem Brexit- und dem Trump-Sieg gestoppt.

Dann kam die Ente. Die Wochenzeitung "Le Canard enchaîné" ("Die angekettete Ente"), die ihre Enthüllungen seit dem Ersten Weltkrieg satirisch verbrämt, um der Zensur ein Schnippchen zu schlagen, berichtete im Blattinneren, dass der "makellose Kandidat" Fillon seine Ehefrau unter anderem als parlamentarische Assistentin eingestellt und mit insgesamt 500.000 Euro fürstlich entlohnt habe. Und das war keine Satire.

"Sie hat nichts gemacht"

Einen Tag später trat Fillon zur besten Sendezeit vor TV-Kameras, um zu beteuern, dass seine Frau Penelope für das Geld wirklich gearbeitet habe. Dann setzte er seinen Wahlkampf fort – bis der "Canard" in der Folgewoche nachlegte: Nun bezifferte er die Rechnung auf über 900.000 Euro, inklusive 80.000 Euro für Jobs der beiden Kinder Fillons. "Dabei sage ich doch, dass Penelope nichts gemacht hat", witzelte das Wochenblatt doppelsinnig.

Da inzwischen auch die Finanzstaatsanwaltschaft wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder ermittelt, verteidigte sich der konservative Ex-Premier am Montag bei einer neuen Pressekonferenz. Der Effekt hielt bis Mittwoch: Da lieferte der Enterich einen "neuen Beweis, dass Fillon einstecken kann" – politisch, aber auch finanziell. Das gut informierte Blatt will wissen, dass die Ermittler "keine Spur" der angeblich fünfzehnjährigen Arbeit gefunden hätten. Hingegen habe Penelope dafür 45.000 Euro als Entlassungsabfindung erhalten. Fillon selbst habe seinen Parteifreunden soeben telefonisch gedroht, falls sie ihn fallenließen.

Die Präsidentschaftskampagne ist damit in der Schwebe: Niemand weiß, ob Fillon den "Canard"-Enthüllungen noch lange standhalten wird. Ein glaubhafter Nachfolger ist nicht in Sicht, weshalb die bisher so siegessichere Rechte zwischen zwei Übeln wählen muss – sie kann das Rennen mit einem geschwächten Fillon oder einem schwachen Ersatz fortsetzen. Nun scheint ein Sieg Le Pens oder – derzeit wahrscheinlicher – des Mitte-links-Bewerbers Emmanuel Macron möglich.

Jagdtrophäen des Enterichs

Hinter den beiden ist Fillon in den Umfragen auf Platz drei abgesackt. Ältere Franzosen erinnern sich, wie oft der "Canard" schon Politiker zu Fall gebracht hat. In seiner Trophäensammlung hängen Präsidentschaftskandidaten wie Jacques Chaban-Delmas oder Valéry Giscard d’Estaing – dieser wegen der sogenannten Bokassa-Diamanten –, aber auch Ex-Premiers wie Alain Juppé oder Pariser Bürgermeister wie Jean Tibéri.

Sie stammen mehrheitlich aus dem bürgerlichen Lager, doch wehrt sich der "Canard" gegen die Einschätzung, er stehe links. In der neuesten Ausgabe enthüllt er zum Beispiel die vergeblichen Mühen Macrons, sich in einer französischen Militärbasis in Jordanien fotografieren zu lassen. Oder den ebenso kläglich gescheiterten Versuch von Staatschef François Hollande, sich als zukünftiger Präsident des Europäischen Rates ins Spiel zu bringen.

Früher war Hollande auch schon als einer der zahllosen Informanten des Satireblattes gehandelt worden. Die Fillon-Affäre hat er kaum dem "Canard" gesteckt. Und wohl auch nicht Ex-Justizministerin Rachida Dati, die sich laut Pariser Medien an Parteifreund Fillon rächen wollte, weil er ihr einen Abgeordnetenposten vorenthalten hatte. Das Investigationsblatt beschrieb, wie es selbst begonnen hatte, die Einkommensverhältnisse Fillons unter die Lupe zu nehmen, und umso eifriger forschte, als der Angefragte geblockt habe. Deshalb dürfte der "Canard", der seine Auflage in zwei Wochen um ein Viertel auf 500.000 gesteigert hat, noch Pfeile im Köcher haben. Fillon zittert dem nächsten Mittwoch entgegen. (Stefan Brändle aus Paris, 10.2.2017)