Sinnlich sind die Arbeiten Laurent Chétouanes, so auch "Khaos". Drei Musiker begleiten die vier Tänzer des Abends auf der Bühne.

Foto: Thomas Aurin

Wien – Wenn ein Stück, das Khaos heißt, scheinbar geordnet abläuft, kann im Publikum das Verhältnis zwischen Erwartung und Erleben durcheinandergeraten. Auf diese Verwirrung setzt der in Deutschland lebende französische Choreograf Laurent Chétouane, wie am Freitag und Samstag in der Halle G des Wiener Tanzquartiers zu sehen ist.

Als die rund siebzigminütige Arbeit vergangenen November im Berliner Theater Hebbel am Ufer vorgestellt wurde, gab es zum Teil heftige Reaktionen. Eine Kritikerin berichtete, dass Zuschauer "den Saal, zum Teil türenschlagend, verließen".

Was kann sie so aufgebracht haben? Man fühlt sich an Vorgänge erinnert, die den Beginn der Karriere von Pina Bausch begleiteten, oder an die Wirkung der konzeptuellen Choreografie Mitte der 1990er-Jahre.

Über Chemie zum Tanz

Chétouane, geboren 1973, hat erst Chemie studiert, ist danach in Richtung Theaterregie ausgebüxt und hat später zum Tanz gewechselt. Mit Bausch ist sein Werk kaum und mit dem Konzeptualismus nur wenig verwandt. Theaterthemen von Shakespeare über Georg Büchner und Heiner Müller bis hin zu Antonin Artaud und Peter Handke durchziehen bis 2010 seine frühen Stücke.

In Wien sind vor allem die darauffolgenden Choreografien bekannt, darunter eine Hommage an das Zaudern, Sacré Sacre du printemps oder 15 Variationen über das Offene. Allesamt sehr sinnliche Arbeiten, sofern man unter Sinnlichkeit etwas Indirektes, Feines und Hintergründiges versteht und nicht nur einen prallen Fleischzirkus nach der herrlich chaotischen Art von Florentina Holzinger.

Durch Wirren getrieben

Khaos findet in der Live-Musik (Mathias Halvorsen, Tilman Kanitz, Artiom Shishkov) von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Rihm und Jahn Cage statt. Die Tänzerin Kotomi Nishiwaki und die Tänzer Bilal Elhad, Tilman O'Donnell und Mikael Marklund werden durch Wirren getrieben, die aus dem Irrwitz unserer Gegenwart peitschen. Sie bewegen sich zwischen Offenheit und Auflösung, in Verzerrungen am Rand des Abgrunds. Trotzdem tanzen hier definitiv auch Perspektiven einer Erneuerung mit. (Helmut Ploebst, 9.2.2017)