Berlin/Wolfsburg/Braunschweig – Der Streit zwischen Volkswagen und dem früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch spitzt sich zu. Der Aufsichtsrat des Konzerns wehrte sich am Mittwoch gegen Vorwürfe von Piëch, wonach Ex-Chef Martin Winterkorn und Aufsichtsratsmitglieder schon früher als bekannt über den Dieselskandal informiert worden seien. In einer internen Untersuchung seien die Behauptungen bereits im vergangenen Jahr detailliert überprüft und als unglaubwürdig eingestuft worden, erklärte der Aufsichtsrat des Autobauers am Mittwoch. Der Konzern drohte dem VW-Großaktionär Piëch mit einer Klage..

Als möglich in diesem Zusammenhang gelten eine Strafanzeige sowie Schadenersatzansprüche gegen Piëch. Der 79-Jährige ist Miteigentümer von Porsche und damit auch Großaktionär von VW. Piëch war bis April 2015 langjähriger VW-Aufsichtsratschef und galt als mächtigster Mann bei Volkswagen. Er trat nach einem internen Machtkampf mit dem damaligen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn zurück. Winterkorn hatte damals Unterstützung vor allem vom Land Niedersachsen als VW-Großaktionär und dem Betriebsrat.

Fake-News

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil weist die Vorwürfe Piëchs als unwahr zurück. Die Behauptungen, das Aufsichtgremium sei von Piëch frühzeitig über den Dieselskandal informiert worden, seien "nicht bewiesen und nicht beweisbar", sagte der SPD-Politiker, der im VW-Aufsichtsrat sitzt, am Donnerstag in Hannover. Das sei nicht nur seine Bewertung, sondern das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung durch die amerikanische Anwaltskanzlei Jones Day. "Ich habe im Frühjahr 2015 von keiner Seite Hinweise darauf erhalten, es gebe eine unzulässige Einflussnahme von Volkswagen auf Schadstoffwerte." Er bedaure sehr, "dass ein Mann mit unbestreitbaren Verdiensten wie Herr Ferdinand Piëch inzwischen zu Mitteln greift, die man neudeutsch eigentlich nur als Fake News bezeichnen kann."

Das Präsidium unterrichtet

Die "Bild"-Zeitung berichtete unter Berufung auf eine Aussage Piëchs bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass unter anderen Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Betriebsratschef Bernd Osterloh bereits Anfang März 2015 von Hinweisen auf Abgasmanipulationen in den USA erfahren haben sollen – und damit viel früher als bisher bekannt. Der Skandal war Mitte September 2015 publik geworden. Die Die Staatsanwaltschaft Braunschweig selbst lässt wissen, dass man im Zusammenhang mit dem Dieselbetrug nicht gegen Mitglieder des Aufsichtsrats ermittle.

Piëch soll jedenfalls laut "Bild" im Februar 2015 Informationen über einen möglichen Dieselbetrug von einem israelischen Sicherheitsunternehmen erhalten haben. Darüber hatte bereits die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Damit habe er den damaligen Vorstandschef Winterkorn konfrontiert. Er habe die Sache im Griff, hätte Winterkorn entgegnet, so die Aussage Piëchs. Über dieses Gespräch will Piëch anschließend das Präsidium des Aufsichtsrats unterrichtet haben – darin waren damals neben Weil und Osterloh auch Wolfgang Porsche und der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber.

"Spiegel Online" und die "Wirtschaftswoche" berichteten indes, dass auch der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet eine Rolle gespielt habe. Demnach besaß der Dienst ein Schreiben, aus dem hervorging, dass US-Behörden den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn frühzeitig über Betrügereien bei Abgaswerten informierten. Dieses Schreiben habe der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, Ende Februar 2015 Piëch gezeigt.

Winterkorn: erst Anfang davon 2015 erfahren

Piëch hatte laut früheren Medienberichten bereits wiederholt seinen früheren engen Weggefährten, Ex-Konzernchef Winterkorn, schwer belastet. Auch dabei geht es um den Vorwurf, Winterkorn habe früher als bisher bekannt von den Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen gewusst. Winterkorn will von den Manipulationen erst Anfang September 2015 erfahren haben. Er war kurz nach Bekanntwerden der Affäre zurückgetreten.

Die Braunschweiger Staatsanwälte ermitteln gegen Winterkorn und andere frühere sowie aktuelle Manager wegen des Verdachts des Betrugs und der Marktmanipulation.

Winterkorns Anwälte hatten der Deutschen Presse-Agentur in der vergangenen Woche nach Berichten zu Vorwürfen Piëchs mitgeteilt, ihr Mandant werde sich dazu äußern, sobald ihm die Akten der Staatsanwaltschaft Braunschweig zur Einsicht vorgelegen hätten. (APA, 9.2.2017)