Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Demonstrant zeigt vor dem Berufungsgericht in San Francisco seinen Unmut über die Einreisebeschränkungen.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Elijah Nouvelage

Washington – Nächster Akt im Justizdrama um das von US-Präsident Donald Trump verhängte Einreiseverbot: Vor einem Bundesberufungsgericht in San Francisco sind am Dienstag die Argumente der Regierung und der gegen das Dekret klagenden Bundesstaaten aufeinandergeprallt.

Das Gericht will noch diese Woche entscheiden, ob es an der von einer unteren Instanz verfügten Aufhebung des Trump-Dekrets festhält oder nicht. Allerdings noch nicht am Mittwoch, wie ein Sprecher am Abend bekanntgab. Das Gericht wolle bis zu 90 Minuten vor der Bekanntgabe der Entscheidung Bescheid geben, fügte er an.

Letztlich dürfte der Streit ohnehin vor dem Obersten Gericht landen.

Chaos bei Einwanderungsbehörden

Trump hatte am 27. Jänner verfügt, dass zur Vermeidung von Terrorrisiken die Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern sowie sämtliche Flüchtlinge vorübergehend nicht in die USA einreisen dürfen. Seither sorgt der Erlass für Chaos bei den Einwanderungsbehörden und an den Flughäfen, wütende Demonstrationen sowie heftigen politischen und juristischen Streit.

Ein Bundesrichter in Seattle im Westküstenstaat Washington hob das Dekret am vergangenen Freitag vorläufig für das ganze Land auf, was Trump zu einer Serie von wütenden Attacken gegen den Richter veranlasste. Zugleich focht seine Regierung dessen Entscheidung mit einem Eilantrag an.

"Risiko" für die Sicherheit

In der telefonischen Anhörung durch das Berufungsgericht argumentierte nun der Rechtsvertreter der Regierung, August Flentje, der Präsident habe in den bisherigen Einreisebestimmungen ein "Risiko" für die Sicherheit des Landes gesehen. Er habe deshalb die Einreise bestimmter Ausländer vorübergehend gestoppt, um die Prozeduren bei der Erteilung von Visa überprüfen zu lassen.

Die telefonische Anhörung, die am Dienstag um 15 Uhr (Ortszeit, 0.00 Uhr MEZ) stattfand.
United States Court of Appeals for the Ninth Circuit

Auf die Frage des Gerichts, ob es eine reale Bedrohung für die USA gebe, antwortete Flentje, dass der Präsident entschieden habe, dass es sie gibt. Das Gericht konkretisierte und fragte, welche Beweise er konkret für eine reale Bedrohung vorlegen könne. Flentje sprach von einigen Somaliern, die in Verbindung zur Terrormiliz Al-Shabaab stünden und in den USA verurteilt worden seien. Die Frage, ob sich diese Beispiele in den eingereichten Unterlagen befinden, verneinte Flentje allerdings.

Flentje betonte, dass Richter James Robart in Seattle mit seiner Entscheidung unzulässig in die Vollmachten des Präsidenten eingegriffen habe. Der Vertreter des Justizministeriums bestritt auch, dass es sich bei dem Dekret um eine Diskriminierung von Muslimen handle. Flentje räumte an einer Stelle während der Anhörung ein: "Ich bin nicht sicher, ob ich das Gericht überzeugt habe."

Getrennte Familien

Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Washington, die durch ihre Klage die vorläufige Aufhebung des Dekrets erwirkt hatte, hielt dagegen, dass dessen erneute Inkraftsetzung das Land "zurück ins Chaos stürzen" würde.

Der Rechtsvertreter des Bundesstaates Washington, Noah Purcell, argumentierte ferner, dass die Einreiseverbote die Interessen seines Staates sowie von dort lebenden Bürgern beschädigten. Durch den Erlass würden in dem Staat lebende Familien auseinandergerissen und dort wohnende Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines der sieben Länder in ihren Reisemöglichkeiten beschränkt.

Auch entstehe beispielsweise Schaden für die Hochschulen, da Dozenten und Studenten infolge des Dekrets im Ausland gestrandet gewesen seien. Ferner betonte Purcell, die öffentlichen Statements des Präsidenten und aus dessen Umfeld lieferten "schockierende Belege" dafür, dass es der neuen Regierung um die Diskriminierung von Muslimen gehe.

"Schutz vor Terrorismus"

Trump hatte hingegen kurz vor der Anhörung bei einem Treffen mit Polizeichefs bekräftigt, dass sein Erlass "sehr wichtig" sei, um das Land vor dem Terrorismus zu schützen. Später bezeichnete er die Gerichte als politisch. "Ich will niemals ein Gericht als voreingenommen bezeichnen, also werde ich es nicht voreingenommen nennen", sagte der Republikaner am Mittwoch in einer Rede vor Sicherheitskräften. "Aber Gerichte scheinen so politisch zu sein."

Schon vor Tagen hatte er den Richterspruch aus Seattle als "lächerlich" bezeichnet und Richter Robart auch persönlich attackiert. "Ich kann es einfach nicht glauben, dass ein Richter unser Land einer solchen Gefahr aussetzt. Wenn etwas passiert, gebt ihm und dem Gerichtswesen die Schuld", schrieb der Präsident via Twitter.

Zu erwarten ist, dass der Streit letztlich vor dem Obersten Gericht in Washington landet. Dies ist die nächste und zugleich oberste Instanz, welche die vor dem Berufungsgericht unterlegene Partei anrufen könnte.

Kelly: Social-Media-Passwörter bei Einreise

Heimatschutzminister John Kelly stellte indes in den Raum, dass Visa-Bewerber für die USA und Einreisende künftig nach Passwörtern ihrer Profile in sozialen Netzwerken gefragt werden könnten. Kelly machte deutlich, dass dies Gedankenspiele seien und keine offizielle Politik. Dies könne Teil eines Maßnahmenpakets für die schärferen Überprüfungen von Besuchern sein, mit der auf mögliche Bedrohungen reagiert werden solle, so Kelly. Es gehe vor allem um die Staatsangehörigen der sieben Länder, gegen die Trump ein Einreiseverbot verhängt hat, aber nicht nur.

"Wir denken über eine ausgeweitete oder zusätzliche Überprüfung nach. Es könnte sein, dass wir an ihre sozialen Medien heran wollen, mit den dazugehörigen Passwörtern", sagte Kelly. "Wenn jemand in unser Land möchte, wollen wir ihn zum Beispiel fragen: Was für Webseiten besuchen Sie? Geben Sie uns das Passwort." Wenn sie wirklich in die USA wollten, würden sie kooperieren, sagte Kelly. "Wenn nicht: Nächster bitte!" (APA, red, 8.2.2017)