Bild nicht mehr verfügbar.

Beata Szydło, die polnische Regierungschefin, gilt als Marionette des PiS-Parteivorsitzenden Kaczyński. Er zieht die Fäden im Hintergrund.

Foto: Reuters / Kacper Pempel

"Warschau" steht am Dienstag auf dem Kalender der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darunter könnte stehen: "Treffen mit Jarosław Kaczyński, dem mächtigsten Mann in Polen, außerdem mit Premierministerin Beata Szydło, Präsident Andrzej Duda und einigen Oppositionsführern." Dem Vernehmen nach hat sich Kaczyński, der Chef der nationalpopulistischen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS), um das Treffen bemüht. Sein Ziel: Polen nach innenpolitischen Tumulten wieder als ernstzunehmenden EU-Partner ins Spiel zu bringen.

Einfach wird das nicht. Die Skepsis ist groß gegenüber den Nationalpopulisten, die innerhalb weniger Monate die Gewaltenteilung in Polen aufhoben, das Verfassungsgericht lähmten und die Pressefreiheit erheblich einschränkten. Zudem wird Kaczyński nicht müde, immer wieder kräftig gegen Deutschland und Russland auszuteilen: die angeblichen Erzfeinde Polens, die das Land schon im 18. Jahrhundert unter sich aufteilten und dann im Zweiten Weltkrieg erneut gemeinsam überfielen. Dass Polen und Deutschland seit vielen Jahren gemeinsam in EU und Nato sind, beste Wirtschaftsbeziehungen pflegen und auf allen politischen Ebenen eng zusammenarbeiten, interessierte Kaczyński lange nicht. Nun wirft er Merkel schon seit Monaten vor, an den vielen Flüchtlingen in Europa "schuld" zu sein, an kritischen Berichten deutscher Medien über die PiS-Regierung und an der möglichen Amtsverlängerung der EU-Ratspräsidentschaft seines innenpolitischen Feindes Donald Tusk.

Regierung mit kaum Autorität

Doch der Widerstand im In- und Ausland wächst. Polens Regierungschefin Szydło und Präsident Andrzej Duda genießen als Marionetten von Kaczyńskis Gnaden kaum Autorität. Und auch Kaczyński selbst wird als "Herr Vorsitzender" ohne Regierungsverantwortung immer öfter Ziel von Spott. Zwar würde Polens Landbevölkerung, deren Lebensstandard sich durch die großzügig bemessene Familien- und Sozialbeihilfe der PiS verbessert hat, bei den nächsten Wahlen wieder für die PiS stimmen – doch wenn in den USA und dann auch in Europa Zinsen und Inflation wieder steigen, könnten die Wähler unzufrieden werden und die Regierung durch den wachsenden Schuldendienst ihren Handlungsspielraum einbüßen.

Wenn dann noch Polen nicht mehr größter Nettoempfänger von EU-Beihilfen wäre, könnte die Situation für Polens aktuelle Regierung denkbar schwierig werden. Auf den Bündnispartner USA ist seit der Wahl des Republikaners Donald Trump kein Verlass mehr. Die Briten scheiden demnächst aus der EU aus. Mit den Franzosen hat es sich Polen durch die kurzfristig stornierte Bestellung von Armee-Transporthubschraubern in Milliardenhöhe erst einmal verscherzt.

Neue Töne gegenüber Merkel

Nach dem Brexit wird Polens Regierung in der EU nur noch auf Viktor Orbáns Ungarn und ein paar Gelegenheitsverbündete zählen können. So sind seit einigen Wochen wieder andere Töne aus der Umgebung Kaczyńskis zu hören. Von "enger Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen" ist da die Rede, sogar von einer "deutsch-polnischen Führungsrolle in der zukünftigen EU". Positiv gewertet wird von Kaczyński-Getreuen, dass Merkel in der Flüchtlingspolitik angeblich zurückrudere und sich dem PiS-Standpunkt annähere, überhaupt keine Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten ins Land zu lassen. (Gabriele Lesser aus Warschau, 7.2.2017)