Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP, Mitte) kann aus mehreren Koalitionsoptionen wählen.

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Wien/Graz –In den Stunden, bis in Graz die Briefwahlergebnisse vorliegen und die Mandatsverteilung im Gemeinderat endgültig klar ist, machen diverse Koalitions- und Personalspekulationen die Runde. Sollte die SPÖ tatsächlich ihren Stadtratssitz verlieren, wird es mit einer Koalition "ganz, ganz schwer", heißt es in ÖVP-Kreisen. Denn nur mit den Grünen, die sich vehement gegen den Bau des Mutkraftwerkes gewehrt hatten, wird's schwierig.

Aber auch mit der SPÖ dürfte es für Nagl kein leichter Spaziergang mehr werden. Denn die Roten, die am Wahltag als Stimmenlieferant fungierten, fühlen sich von der ÖVP brüskiert. Immerhin hatte Nagl vor der Wahl noch einen ehemaligen roten Stadtrat aus der SPÖ gelotst und vor einer links-linken-Koalition gewarnt, was, so wirft man Nagl vor, der SPÖ sehr geschadet habe. "Wir sind mit Sicherheit kein Feigenblatt und auch kein Steigbügelhalter, die solide Regierungsarbeit wurde ganz offensichtlich nicht belohnt. Wir werden mit Sicherheit eine sehr kantige Politik in den nächsten Jahren betreiben", sagt Ehmann im Gespräch mit dem STANDARD.

Gerücht: FPÖ-Chef vor Ablöse

Nagl will aber dennoch versuchen, mit Grünen und auch SPÖ und den Neos ins Gespräch zu kommen. Ansonsten bliebe tatsächlich nur die FPÖ als einziger Koalitionspartner, nachdem Nagl einen Pakt mit der KPÖ ausgeschlossen hat.

In der FPÖ, so läuft im Rathaus bereits das Gerücht, will man sich jedenfalls koalitionsfit machen und den FPÖ-Spitzenkandidaten und Stadtrat Mario Eustacchio ablösen. Für ihn soll ein führender Mitarbeiter des FPÖ-Landeschefs Mario Kunasek kommen. Zumindest ist ein solcher als "Verhandlungsführer" für etwaige Koalitionsgespräche bereits im Gespräch.

Dass Eustacchio abgelöst werden könnte, hält man im steirischen FPÖ-Landtagsklub für eine "unhaltbares Gerücht". "Das entbehrt jeder Grundlage und kann nur von den politischen Gegnern gestreut worden sein, um Unruhe erzeugen", sagt Klubsprecher Philipp Könighofer im Gespräch mit dem STANDARD. Derartige Spekulationen seien aus derzeitiger Sicht jedenfalls "schlicht nicht richtig".

Schwierige Koalitionsfindung für Nagl

Bürgermeister Siegfried Nagls ÖVP hätte im Gemeinderat nach der am Sonntag gewonnenen Wahl nur entweder mit der KPÖ oder der FPÖ eine Mehrheit – doch eine Koalition mit der KPÖ hat Nagl selbst wiederholt ausgeschlossen. Sowohl mit der SPÖ als auch mit den Grünen käme die ÖVP jeweils auf nur 24 der 48 Mandate.

Eine schwarz-blaue Koalition sei aber noch nicht fix, sagt Nagl am Montag im Ö1-"Morgenjournal". Immerhin gebe es zwischen ÖVP und FPÖ "eine Riesenkluft in vielen Bereichen" wie der Integration. Eine Dreierkoalition als Alternative schließt Nagl nicht aus.

An den Optionen des Bürgermeisters dürfte auch die Auszählung der Briefwahlstimmen am Montag nichts ändern: Laut Sora/ORF-Wahlkartenprognose könnte sich lediglich ein Mandat verschieben – und zwar von der FPÖ zu den Neos. Das brächte Schwarz-Blau allerdings nicht um die Mehrheit: Die 19 ÖVP-Mandate und in dem Fall nur sieben FPÖ-Mandate (statt acht wie im vorläufigen Ergebnis) würden mit 26 der 48 Sitze immer noch ausreichen.

Für Zweierkoalition mit Grünen oder SPÖ reicht es nicht

Noch klarer – mit 29 der 48 Mandate – wäre die Mehrheit freilich mit der KPÖ, die ihre zehn Gemeinderatssitze behält. Die inhaltliche Distanz zu den Kommunisten ist für Nagl aber zu groß. Enttäuscht hat ihn die KPÖ zuletzt damit, dass sie ihre Zustimmung zum Budget 2017 an eine Volksbefragung zum Murkraftwerk knüpfte. Daraufhin wurde die Wahl auf Februar vorgezogen.

Die bisher immer treue Partnerin SPÖ ist Nagl mit ihrem kräftigen Verlust weggebrochen: Die Sozialdemokraten verloren zwei ihrer sieben Mandate, also käme man zusammen nur mehr auf 24. Auch eine Wiederauflage der (2012 zerbrochenen) Zusammenarbeit mit den Grünen kommt nicht infrage, haben diese doch ebenfalls nur mehr fünf Gemeinderatssitze. Nur die Dreierkoalition ÖVP-Grüne-SPÖ hätte eine satte Mehrheit. Die Neos könnten dagegen nur ein Mandat – mit den Briefwahlstimmen vielleicht auch zwei – in einen potenziellen Dreierbund, etwa mit ÖVP und SPÖ, einbringen.

Im Stadtsenat hat die ÖVP weiterhin drei der sieben Sitze – womit die Mehrheit mit jedem Partner sichergestellt ist. Denn die FPÖ bekommt einen Sitz, ebenso die KPÖ, jedenfalls auch die Grünen und vielleicht die SPÖ. Die Sozialdemokraten müssen allerdings noch zittern, denn die Briefwahlstimmen könnten sie zugunsten der KPÖ noch um ihren einzigen Stadtratsposten bringen. (mue, APA, red, 6.2.2017)