Graz – Ein 54-Jähriger ist am Freitagabend im Grazer Straflandesgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er soll im Juni 2016 seine Ex-Frau durch mehrere Schüsse aus nächster Nähe getötet haben. Der Angeklagte gab an, sich an die Tat nicht erinnern zu können. Er wurde als zurechnungsfähig eingestuft und kündigte sofort Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Der gebürtige Bosnier und seine Frau waren seit 2006 geschieden, trennten sich aber erst Anfang 2016 endgültig. Doch der 54-Jährige wollte das Beziehungsende nicht wahrhaben und tauchte immer wieder bei seiner Ex-Frau auf. Sie hatte Angst vor ihm und rief daher sofort die Polizei, als sie ihn im Juni vorigen Jahres vor ihrem Haus sah. Gleichzeitig rannte sie mit dem Telefon ins Schlafzimmer und wollte sich verstecken. Laut Gerichtsmediziner versuchte sie möglicherweise, sich im Kasten vor ihrem Ex-Mann zu verbergen, der jedoch ins Zimmer kam und sieben Kugeln auf sie abfeuerte, wovon sechs die 53-Jährige trafen.
"Diese Exekution ist live über Polizeinotruf wahrnehmbar gewesen", sagte Staatsanwältin Reingard Wagner. Als die Beamten Minuten später eintrafen, war die Frau bereits tot. Der Mann saß teilnahmslos vor dem Fernseher und ließ sich widerstandslos festnehmen. Er wurde in die Nervenklinik gebracht und behauptet von Anfang an, er habe keine Erinnerung an die Tat, die er laut Anklägerin "genau und sorgfältig geplant" hatte.
Sein Verteidiger Gunther Ledolter zeichnete ein anderes Bild von dem Angeklagten: "Er war ein liebevoller Opa und ein hilfsbereiter Mensch, alles andere als ein kaltblütiger Killer." Der Tod zweier seiner vier Kinder habe ihn aus der Bahn geworfen und immer wieder zu gesundheitlichen Problemen geführt. Ein Privatgutachten im Auftrag der Verteidigung stuft den Angeklagten aufgrund einer psychotischen Störung und seiner Medikamenteneinnahme als nicht zurechnungsfähig ein. Der Gerichtssachverständige Manfred Walzl kam dagegen zu dem Schluss, dass der 54-Jährige sehr wohl zurechnungsfähig gewesen sei. Auch der Arzneimittelsachverständige betonte, dass die Medikamente nur dämpfend gewirkt haben könnten, niemals aber eine Psychose ausgelöst hätten.
Der Angeklagte selbst bekannte sich zwar schuldig, gab aber immer wieder an, sich weder an die Tat noch an den gesamten Monat davor inklusive Waffenkauf erinnern zu können. Er erklärte, dass er nie gewalttätig gegen seine Frau oder Kinder gewesen sei. "Sie haben nichts getan, waren liebevoll und freundlich, und dann die Schüsse aus nächster Nähe auf eine am Boden liegende Frau – wie passt das zusammen?", fragte Richterin Angelika Hacker. "Ich kann mich nicht erinnern", antwortete der Angeklagte stereotyp.
Die Geschworenen befanden den 54-Jährigen einstimmig für schuldig, ebenso einstimmig erklärten sie ihn für zurechnungsfähig. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, kündigte jedoch sofort Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. (APA, 3.2.2017)