Dem Hype folgt bei Auctionata jetzt ein Insolvenzverfahren. Diese Woche wurden zahlreiche Mitarbeiter freigestellt.

Foto: Auctionata AG

Der knapp 80-seitige KPMG Bericht listet teils brisante Vorfälle: So waren im Umfeld des Vorstandes etwa Pseudo-Accounts erstellt worden und dürften Bietgefechte simuliert worden seien.

Seit Mitte Jänner überschlagen sich in Berlin die Ereignisse: Das einst als vielversprechendes Start-up hofierte Online-Auktionshaus Auctionata kämpft mittlerweile offiziell ums Überleben. Die Verhandlungen um die fünfte Finanzspritze seit der Gründung 2012 liefen noch, als man am 16. Jänner am Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz anmeldete. Die Mitarbeiter warteten zu diesem Zeitpunkt seit Wochen auf ihre Gehälter.

Das Ziel des Verfahrens, zitiert die Wirtschaftswoche CEO Thomas Hesse, sei eine Rekapitalisierung zur Sanierung. Hesse hatte erst im September Alexander Zacke in dieser Funktion abgelöst. Einen Monat später wurde bekannt, dass der Firmenmitbegründer und seine Ehefrau Susanne bis Ende 2016 ihre Aufgaben an die Geschäftsführung übergeben und das Unternehmen verlassen. Mit Georg Untersalmberger wird Ende Februar der Letzte aus dem Gründungsteam von dannen ziehen.

Noch im Herbst gab sich Alexander Zacke betont optimistisch: Auctionata sei eine "fantastische Wachstumsstory", aus "einem kleinen Start-up" sei "ein dynamischer Global Player geworden", der nun "reif für die nächste Phase seiner Entwicklung" sei. Die Realität muss eine völlig andere gewesen sein. Ungeachtet der über die Jahre von Investoren wie Earlybird, Holtzbrinck Ventures, Yuan Capital (Hongkong), MCI Management (Warschau) oder der Group Arnault eingesammelten 79 Millionen Euro.

Das einst in Businessplänen ersonnene Konzept, das hauptsächlich auf Online-Liveauktionen und den Shopverkauf setzte, dürfte überzeugt haben: Einen Zehn-Prozent-Anteil allein am 59 Milliarden Dollar schweren "Fine Art Market" hielt Alexander Zacke noch im Herbst 2013 für überaus realistisch.

2013 präsentierte Firmengründer Alexander Zacke das Konzept von Auctionata im Rahmen der IDCEE-Start-up-Konferenz.
IDCEE

Die über Hochrechnungen prognostizierten Fantastilliarden blieben trotz eines gigantisch anmutenden Wachstums – 164 Prozent von 2013 auf 2015 – allerdings aus. Der in 249 Auktionen und über Festpreiskanäle (Shop) 2015 erzielte Nettoumsatz soll bei 81 Millionen Euro gelegen sein, der Nettoprovisionserlös bei 21 Millionen.

Pseudorekorde

Zeitgleich rühmte man sich des Weltrekords für das teuerste je online versteigerte Kunstwerk: eine chinesische Automatenuhr, die ein chinesischer Milliardär für 3,37 Millionen Euro ersteigert hatte. Die Gründerszene war beeindruckt. Dabei war es an den Kunstmarktkriterien gemessen gar kein Rekord. Egal. "The most expensive piece ever sold, and we have a couple of those", betonte Susanne Zacke im Rahmen des Gründer-und-Wirtschaftselite-Events "Axel Springer Noah Berlin 2016".

Ihre Präsentation verhieß eine rosige Zukunft, zumal Auctionata im Monat davor mit dem Paddle8 fusioniert worden war. Das US-amerikanische Unternehmen ist ebenfalls auf Online-Auktionen und Privatverkäufe über seine Online-Plattform spezialisiert. David Zwirner, Investor und Mitglied des Aufsichtsrates, verkündete gar "ein neues Zeitalter des Sammelns auf digitaler Ebene". Bis dahin hatten etwa Skate Capital, Damien Hirst oder Jay Jopling umgerechnet 39 Millionen Euro in Paddle8 investiert. Zusammen brachte man es also auf ein Risikokapital von 118 Millionen Euro.

Im Juni 2016 verwies Susanne Zacke auf Expansionspläne und brach liegende Potenziale.
NoahAdvisors

Das von Susanne Zacke zwischen den Zeilen avisierte Kuchenstück des auf 500 Milliarden Dollar bezifferten Marktvolumens für Kunstgegenstände und Luxusgüter schien vordergründig realistisch. Hinter den Kulissen sackte der Umsatz allerdings rapide ab. Laut Wirtschaftswoche um satte 60 Prozent gegenüber 2016. Dazu waren Details aus einer im Herbst 2014 von KPMG durchgeführten Governance Review bekannt geworden. Sie war von der Geschäftsführung damals wohl im Hinblick auf einen Börsengang durchgeführt worden. Gerüchteweise sei der seit Jänner 2015 vorliegende Abschlussbericht den Investoren der letzten Finanzierungsrunde nicht vollumfänglich vorgelegt worden.

Fingierte Bietgefechte

Zu den von den Wirtschaftsprüfern ermittelten Vorfällen gehörte etwa, dass Alexander und Susanne Zacke selbst und weit über den für Mitarbeiter zulässigen Schätzwert von 50.000 Euro Objekte eingeliefert hatten, konkret in einem Umfang von fast 530.000 Euro, wobei teils Vorschüsse ausbezahlt worden waren. Bei den anschließenden Versteigerungen seien fallweise Pseudonym-Accounts angelegt worden, die "ausschließlich einem Vorstand" zugeordnet werden konnten. Ergebnis: Der externe Bieter ersteigerte das Objekt zu einem weit höheren Preis, als es ohne Mitwirken des Pseudo-Accounts der Fall gewesen wäre.

Teils dürften Bietgefechte sogar vollständig simuliert worden sein. Nach der Gewerbeordnung für Auktionshäuser ist derlei freilich nicht erlaubt. Tatsächlich drohte Auctionata der Entzug der Lizenz. Jedoch, "wo Prozesse nicht gut liefen", versicherte Alexander Zacke, habe man "dies konsequent geändert".

Den 70 Anfang dieser Woche "freigestellten" Mitarbeitern wird das kein Trost sein. Auch den Kunden nicht, die seit Monaten auf ihre Verkaufserlöse warten, die laut CEO Thomas Hesse nun "unter dem Schutz des vorläufigen Insolvenzverwalters" stehen. (Olga Kronsteiner, Album, 3.2.2017)