Wien – "Ich und klammern? Der Einzige, was geklammert hat, ist er!", empört sich Christine H. gegenüber Richter Christian Noe. "Er" ist ihre ehemalige Bekanntschaft Andreas R., der als Zweitangeklagter hier sitzt. Es geht um einen eskalierten Streit und Drohbriefe vor der Wohnungstür.

Tatort war die Zanglerbude, eine Do-it-yourself-Autowerkstatt. Dort gerieten die beiden Unbescholtenen aneinander, sollen sich mit Fäusten, Bissen, einem herumliegenden Schraubenzieher und einer Wasserpumpenzange gegenseitig verletzt haben. Beide Seiten beteuern, dass es nur Notwehr gewesen sei.

In Disko kennen gelernt

Kennengelernt haben sich die 43-Jährige und der 49 Jahre alte Zweitangeklagte in der Nacht vom 3. auf den 4. September in einer Disco. Man sah einander täglich, dann schwächte sich die Anziehungskraft deutlich ab. R. sagt, er habe am 14. September Schluss gemacht. H. dagegen, sie habe ihm am Morgen des 22. September den Laufpass gegeben.

Der 22. ist auch der Tattag. Ihre Version: "Ich bin zum Arzt gefahren, dann ist er nachgekommen und hat gesagt, wir müssen reden." Man fuhr in die Zanglerbude, dort habe R. ohne Vorwarnung auf sie eingeschlagen. Die Folgen, in H.s Worten: "Kopferschütterung, Zerrung im Gnack, Prellungen und ein blauer Fleck am Unterarm."

Danach seien bis Oktober auch fünf Drohbriefe vor ihrer Wohnungstür in Wien gelegen. Unterschrieben mit "Andreas". Zu 95 Prozent sei sie sich sicher, dass sie vom Ex-Partner stammen. Auffällig an den mit einem Computer verfassten Schreiben ist aber, dass sie ziemlich fehlerbehaftet sind. Buchstaben fehlen, und erstaunlich oft wird nach einem Beistrich "was" verwendet.

"Tintenpatrone zu schade"

"Herr R. sagt, Sie haben die Briefe selbst geschrieben", hält Noe der Erstangeklagten vor. "Da ist mir meine Tintenpatrone zu schade. Die Tinte brauch ich für Bewerbungsschreiben."

Mysteriös sind auch SMS und andere elektronische Nachrichten, die die Schwägerin von R. bekommen hat. Die stammten von H.s Handynummer und Facebook-Konto. Die Absenderin stellt sich allerdings als "Klaudia" vor.

Die sei eine Bekannte, argumentiert die Zweitangeklagte. "Der habe ich das Handy einmal geborgt." – "Haben Sie von der eine Handynummer oder eine Adresse, bei der ich sie laden kann?", fragt der Richter. "Nein, ich kenn sie nur als Klaudia."

Die Version des Zweitangeklagten: Er sei bereits in der Zanglerbude gestanden und habe an einem Auto herumgeschraubt. Plötzlich sei H. aufgetaucht, er habe noch gesagt: "Tut mir leid, ich kann nicht mehr mit dir." Schon habe sie angefangen, mit den Fäusten gegen seinen Kopf zu prügeln.

Bisswunde dokumentiert

Er habe sie nur an den Armen gehalten, als er kurz losließ, schnappte sie sich einen Schraubenzieher und versuchte ihn zu stechen. Als nächstes Angriffswerkzeug kam die Zange, schließlich biss sie ihn. Diese Verletzung ist auch in einem Befund dokumentiert. Mit den Drohbriefen wiederum habe er nichts zu tun.

Der Besitzer der Werkstatt schildert, er habe Hilfeschreie gehört, als er eintraf. Außerdem Abwehrbewegungen seines Bekannten gesehen, und die Frau sei aggressiv gewesen. Noch auf dem Vorplatz habe sie Angriffe auf R. versucht. Noe spricht daher den Zweitangeklagten rechtskräftig frei, H. wird nicht rechtskräftig zu drei Monaten bedingt verurteilt. (Michael Möseneder, 3.2.2017)