Im aktuellen Gemeinderat halten ÖVP und FPÖ genau die Hälfte der 48 Mandate. Die andere Hälfte teilen sich KPÖ, SPÖ, Grüne und ein Pirat. Schon eine Verschiebung von nur einem Mandat würde zum "rechten" oder "linken" Überhang führen.

Der Guardian lobte Graz unlängst als "coolere kleine Schwester von Wien". Wie auch immer: Die Bewohner der Stadt fühlen sich jedenfalls genauso wohl wie die Touristen. Im europäischen Vergleich steht Graz sogar ziemlich gut da.

Bei der letzten Eurobarometer-Umfrage fielen die Grazer im Vergleich mit 78 anderen Städten durch überdurchschnittliche Zufriedenheit auf. 97 Prozent waren zufrieden mit den persönlichen Lebensumständen, vor allem mit dem Kultur- und Bildungsangebot, aber auch den Gesundheitseinrichtungen. Mit ihrer Jobsituation waren 85 Prozent glücklich, und 83 Prozent setzten Vertrauen in die Arbeit der Stadt und ihrer Tochterunternehmen. Hier lagen nur Zürich und Luxemburg vor Graz. Und vor allem: Mehr als 90 Prozent der Grazer fühlen sich in der Stadt sicher. "Wir registrieren in Graz eine wirklich unglaublich hohe Zufriedenheit", sagt Tourismuschef Dieter Hardt-Stremayr.

Kein Wunder also, dass die Stadt wächst und wächst. 320.000 Einwohner zählt man aktuell, rund 60.000 davon sind Studierende. In den Bezirken Lend und Gries eröffnen laufend neue Lokale und Shops, alternative und soziale Projekte genauso wie schicke Designläden. In noch nicht gentrifizierten Grätzeln klafft derweil noch der Leerstand.

Verbots- und Kulturstadt

Wer die Stadt während des von der Kunst- und Kreativszene gegründeten Lendwirbels besucht, kann schwer verstehen, dass dieselbe Stadt – etwa aufgrund von sektoralen Alkoholverboten – auch Verbotsstadt genannt wird. Die Kultur hat mittlerweile einen hohen Stellenwert, an dem sich niemand mehr zu rütteln getraut. Bei einer Podiumsdiskussion im Kunsthaus bekannten sich vor zwei Wochen alle sechs Gemeinderatsfraktionen zur Beibehaltung der mehrjährigen Förderverträge für Kulturvereine.

Womit die Grazer hadern, auch laut Eurobarometer-Umfrage: der extrem schlechten Luft. Die Feinstaubwerte waren im Jänner wieder die höchsten Österreichs. Dass die Grazer ihre Stadt trotzdem schätzen, spiegelte sich auch im "Wellness-Wahlkampf" wider, den fast alle Parteien führten.

Nur die Freiheitlichen nicht. Ihre Plakate, auf denen sie sich wahlweise "fremd" im "eigenen" Park, in der Schule oder im Haus fühlen, wirken zwischen den wenig angriffigen Feel-good-Sujets der anderen selbst wie Fremdkörper. Ihr Tenor: "Der Fremde" ist schuld. Und zwar an allem. Die FPÖ hofft, mit ihrer alten Linie in dieser traditionell bunten Stadt, in der 67 Prozent Alexander Van der Bellen wählten, trotzdem zu punkten. (cms, mue, 2.2.2017)