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Das Ringen um Kosten kranker Selbstständiger ist nichts für schwache Nerven. Neue Forderung der SVA: Wer länger als 41 Tage das Bett hütet, soll Krankengeld rückwirkend ab dem 4. Tag bekommen.

Foto: DPA/Bernd Weissbrod

Wien – "Es ist uns bewusst, dass es nicht gut aussieht. Aber wir konnten nicht anders." Alexander Herzog will die Sozialversicherung nicht ins böse Eck gestellt wissen, von wo sie aus "kleine Unternehmer schröpfe". Angesichts der staatlichen Aufsicht, die ihm die gelbe Karte zeigte, habe er aber reagieren müssen.

Der geschäftsführende Obmann der SVA kürzte jüngst wie berichtet das Mindestkrankengeld. Betroffen sind Selbstständige mit geringem Einkommen, die freiwillig eine Zusatzversicherung der SVA abgeschlossen haben. Diese sollte dazu dienen, im Fall einer Krankheit Einkommensausfälle abzufedern. Denn Unternehmer erhalten erst ab dem 43. Tag Krankengeld.

Einjährige Kündigungsfrist

Üblich wäre dafür eigentlich eine einjährige Kündigungsfrist gewesen, sagt Herzog. Kulanterweise dürfe man aber sofort raus aus den Verträgen. Aufgrund von Defiziten der Zusatzversicherung sei Druck der Aufsicht gekommen. Warum gab es überhaupt Verluste? Schuld daran trage eine einzelne Gruppe an Versicherten, die diese stark nachgefragt und "stark ausgenutzt" habe, präzisiert Herzog. "Wir haben ein Jahr lang zugeschaut. Doch die Lage spitzte sich dramatisch zu."

Offen benennen will die Gruppe in der SVA keiner, dafür ist sie politisch zu sensibel. Es geht um Österreichs 52.000 selbstständige Personenbetreuer. Viele stammen aus der Slowakei und Rumänien, pflegen alte Menschen rund um die Uhr, nicht selten zu Dumpinglöhnen von unter 30 Euro am Tag. Der finanzielle Einschnitt bei der Versicherung sei für sie eine Katastrophe, sagt Bibiána Kudziova.

Die Sprecherin der Berufsgruppe Personenbetreuung in Wien arbeitete selbst jahrelang in der Pflege und ist Mitglied im Wirtschaftsbund der ÖVP. Kudziova stellt gar nicht in Abrede, dass die Branche aufgrund hoher körperlicher und psychischer Belastung anfällig für Krankheiten sei. Dass die Pflegekräfte bewusst krank spielten, entbehre jedoch jeder Vernunft. "Keiner will lange daheimbleiben, jeder fürchtet um seinen Job."

Bei einem Mindestkrankengeld von nun 8,5 Euro am Tag würden viele die Zusatzversicherung, die im Monat weiterhin mindestens 31 Euro kostet, kündigen. Alternative seien private Versicherungen, diese sind aber weitaus teurer.

"Die Schärfe nehmen"

SVA-Vize-Obmann Herzog fordert von der Bundesregierung andere Formen der Absicherung gegen Arbeitsausfälle für Selbstständige: Wer länger als 41 Tage krank ist, soll rückwirkend Krankengeld ab dem vierten Tag ausbezahlt bekommen, sagt er im STANDARD-Gespräch. Das sei schaffbar und würde "dem Thema Schärfe nehmen".

Appelle der SPÖ und Grünen, für Krankengeld ab dem 11. Tag zu sorgen, was viele Zusatzversicherungen als Überbrückung erübrigen würde, bleiben von ihm ungehört. "Das ist mit uns nicht akkordiert." Am Ende des Tages sei ein Unternehmer immer noch ein Unternehmer, mit seinen Freiheiten und Risiken. Wer früheres Krankengeld für Selbstständige wolle, müsse auch das System für Angestellte von Grund auf neu aufstellen. "Wir weichen von dieser Forderung sicher nicht ab", sagt hingegen Cornelia Ecker, Sprecherin für KMU und Einpersonenunternehmen der SPÖ, Verhandlungen dazu gebe es derzeit jedoch nicht.

Einzelkämpfer, die sich in Österreich abseits der SVA auf dem Privatmarkt gegen Krankheit versichern wollen, sollten auf jeden Fall jung und gesund sein. Wobei eines von beiden nicht ausreicht.

Unternehmensberater Peter Jakubitz wollte sich bei der Helvetia gegen Betriebsunterbrechung versichern lassen. Der Haken: Freiberufler und Selbstständige dürfen Neuverträge nur bis zum 55. Lebensjahr abschließen. "Mit 57 habe ich statistisch gesehen noch 23 Jahre zu leben. Ich denke nicht an Pension und habe sicherlich noch zehn aktive Berufsjahre vor mir. Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben diskriminiert."

Das Risiko langer Arbeitsausfälle bei Selbstständigen ist aus seiner Sicht überschaubar, denn keiner wolle seine Kunden verärgern, "Da treibt einen schon der Markt an." Helvetia selbst verweist auf Anfrage auf branchenübliche Praxis. Armin Assinger, Testimonial des Versicherers, ist übrigens 52. (Verena Kainrath, 3.2.2017)