In unseren Zwanzigern sind die meisten von uns auf der Suche nach der perfekten Beziehung. Nach dem ergänzenden Ich-Teil, mit dem oder der wir uns eine große Zukunft mit Wohnung in Wien, Haus im Waldviertel, zwei oder drei Kindern, einem Hund und sonst allen Klischees wie Meerschweinchen oder Rotweinabenden auf der Terrasse erträumen.

Dann haben wir ihn gefunden, diesen anderen Teil, im Flex oder im Anzengruber oder im alten Drechsler. Das erste Mal Schmusen im Alt Wien oder im Tanzcafé Jenseits. Oder auf den Technopartys, die es früher hinter dem Arsenal gegeben hat, irgendwo zwischen aufgelassenen Autohäusern und Abrissgrundstücken. Und dann verwirklichen wir mit diesem anderen Ich-Teil all das, was wir uns erträumt haben. Na ja, fast alles. Das hippe, völlig sinnlose und scheinbar doch so unfassbar notwendige Haus im Waldviertel fehlt. Schade.

Was hat sich geändert nach dem Baby?

Der erste Freund von mir, der Vater wurde, den habe ich damals gefragt: Was genau hat sich geändert für dich? Außer halt, dass du jetzt versuchst das Kind zu verstehen und Angst davor hast, es versehentlich umzubringen. Ich war Single, er war verheiratet und seit vier Monaten Vater. Und er stand vor mir in der Schlange beim Bäcker, wo wir uns schon beim gemeinsamen Studieren immer unseren Kaffee geholt hatten, so unglaublich attraktiv wie immer, mit diesem Lächeln. Derselbe Körpergeruch, den ich wahrnahm, derselbe Mann, mit dem ich so lange eine Affäre gehabt hatte.

Was sich geändert hat? Er lacht. Und dann schaut er mich an, so wie damals, oder sagen wir, fast so wie damals. Nur halt mit einem vier Monate alten Baby um den Bauch geschnallt. Ich werde irgendwie unsicher, was kommt jetzt. Er legt den Kopf schief und beugt sich vor, "das, was sich geändert hat, ist, dass ich als Mann unsichtbar geworden bin für das andere Geschlecht". Im Klartext: "Niemand gräbt mich mehr an, seit ich ein Kind habe."

Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Ganz ehrlich: Für mich ist er ein asexuelles Wesen, seit er ein Kind hat. Und ich bin sicher, dass ich sofort mit ihm schlafen würde, wenn da nicht das Kind und seine sehr ernsthafte, tiefe Liebe zu seiner Frau wären. Und die Verantwortung und die echt schlimmen Folgen für ganz viele Menschen, wenn das in der Realität passieren würde.

Mama, und keine Frau mehr?

Irgendwann bin ich es dann, die das vier Monate alte Baby in der Trage vor sich her schaukelt. Junge Männer lächeln mir lieb zu. Es ist aber nicht so wie damals, wo der Blick zusätzlich zu "lieb", was im Grunde ein anderes Wort für "fad" ist, auch "Ich finde dich attraktiv" heißen konnte, manchmal zumindest. Jetzt geht es nur noch um das Baby, nicht mehr um mich. Es ist so weit, ich bin unsichtbar geworden. Und ich denke an meinen ältesten Freund, der mittlerweile drei Kinder hat.

Ganz ehrlich: Ich vermisse das Drama und das Flirten nicht wirklich. Es ist völlig in Ordnung, unsichtbar zu sein. Und wenn ich das jetzt noch öfter schreibe, dann glaube nicht nur ich selbst es, sondern auch alle anderen. Aber meistens, da finde ich es wirklich sehr, sehr komisch, als Mutter von Männern angesprochen zu werden, die nicht mich als Mutter, sondern mich als Frau meinen.

Sprich mich nicht an, ich bin Mutter

Es gibt Orte, da sollte Mann eben einfach nicht versuchen, eine Frau anzusprechen. Am Kinderspielplatz oder in der Sauna oder gar in der Volksschule beim Kinderabholen. Es tut mir leid, aber niemand ist hier auf der Suche nach "Frisch geschiedener Rechtsanwalt, 38, 1,87 m groß, sucht junge, blonde sie zwischen 28 und 35, die ihm hilft über den Trennungsschmerz hinwegzukommen". Nein, ich zum Beispiel bin da, weil ich mehrere Kinder und ihr Zeugs einsammeln muss, zwei weitere in anderen Betreuungsinstitutionen auf mich warten, auf dass wir hernach alle gemeinsam noch unsere anderen 4.927.235 charmanten Tagesaufgaben wie Eishockeytraining, Pfadfindertreffen und Gulaschkochen erledigen können.

Ganz schlecht ist auch die Supermarktkassa. Dort war eine Freundin von mir gerade dabei, ihr zweieinhalbjähriges Kind zu bändigen – es hatte sich in den Nutellatopf verschaut, den die Mama partout nicht kaufen wollte. Das Geschrei war bis ins Nebenhaus zu hören, wo jemand vermutete, ein Kind sei verunglückt. Der Mann hinter ihr in der Schlange wollte die Situation offenbar etwas auflockern. Seine Anerkennung, wie gut sich ihr Hintern nach der Geburt gehalten habe, stieß jedoch auf taube, undankbare Ohren. Extrem unerfreulich ist es auch, wenn mir auf der Straße "Gemma ficken?" nachgerufen wird, während an meiner Hand mein vierjähriges Kind geht, das nachher so gern wissen will, was denn dieses Wort bedeutet.

Nie wieder Flirten. Echt jetzt?

Als Mutter ist man für Männer scheinbar unsichtbar. Das ist wie gesagt oft sehr okay so. Aber dann bleibt da ein grundsätzlicher Gedanke. Die Frage danach, ob jetzt wirklich ein für alle Mal das mit dem Neuverlieben vorbei ist. Ob dieser eine Mann bleibt. Für immer. Ob man sich manchmal auch fragen darf, ob so ein Abenteuer nicht vielleicht extrem super und schön wäre. Oder ob der Rechtsanwalt mit der Profischwimmerfigur nicht doch einen zweiten Blick wert wäre. Nur so für einmal ausprobieren, ein Wochenende. Oder doch irgendwie gar nicht. Was, wenn der schlecht riecht aus dem Mund oder die Socken anlässt oder furchterregend stöhnt?

Wie ist das also für uns Mittdreißiger mit Kindern? Haben wir in unseren Beziehungen alles – oder doch nur ganz viel? Und wenn ja: Was fehlt uns? Und welchen Preis sind wir bereit dafür zu bezahlen? (Sanna Weisz, 5.2.2017)