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WKO-Präsident und SVA-Obmann Christoph Leitl fordert die Gesundheit der Unternehmer heraus.

Foto: AP Photo/Gerry Broome

Wien – Bundeskanzler Christian Kern sorgt sich um die Gesundheit der Selbstständigen. 43 Tage müssen sie derzeit im Fall einer Krankheit ohne jedes Einkommen überbrücken, bis sie eine Lohnfortzahlung erhalten. Sein Ziel sei es, diesen Zustand zu bereinigen, sagte er jüngst. Immerhin säßen die Sozialversicherungen auf drei Milliarden Euro an Rücklagen.

Das war die gute Nachricht für Österreichs Einzelkämpfer unter den Unternehmern. Die schlechte kam postwendend von der Sozialversicherung wenige Tage später. Und sie passt so gar nicht zur Rhetorik der Regierung, die Kleinstbetrieben und Start-ups künftig stärker unter die Arme greifen will.

Via Brief teilte die SVA mit, dass jenen, die über eine Zusatzkrankenversicherung verfügen, kräftige Abstriche ins Haus stehen. Das Mindestkrankengeld in Höhe von 29,23 Euro pro Tag entfällt rückwirkend mit 1. Jänner. Dieses wurde bisher ab dem vierten Krankenstandstag ausbezahlt, um die kommenden Wochen ohne Gehalt finanziell zu überdauern und nicht in existenzielle Nöte zu geraten.

Mindestkrankengeld

Stattdessen gibt es nun ein Mindestkrankengeld von täglich 8,51 Euro. Zudem beträgt das Krankengeld pro Tag in allen Fällen künftig 60 Prozent der vorläufigen täglichen Beitragsgrundlage. Wobei der monatliche Mindestbeitrag für die Zusatzversicherung bei 30,77 Euro bleibt. Das heißt im Klartext: Am freiwilligen Krankenversicherungsbeitrag ändert sich nichts. Im schlechtesten Fall wird jedoch nur noch gut ein Drittel des bisherigen Krankengelds ausbezahlt. Die neuen Einschnitte treffen ausschließlich Selbstständige mit geringem Einkommen.

Viele Einzelkämpfer quer durch die Branchen fühlen sich vor den Kopf gestoßen. SVA-Direktor Thomas Neumann führt hingegen Defizite von zehn Millionen Euro ins Treffen, die sich bei der Zusatzversicherung in den vergangenen beiden Jahren angehäuft hätten. "Die Beiträge für alle zu erhöhen erschien uns ungerecht." Das Gesetz erlaube weder Minusgeschäft noch Quersubventionierung. Also nehme man lieber jene, die Kosten verursachten, in die Selbstverantwortung, erläutert Neumann.

Vorwurf der Kaltschnäuzigkeit

Gabriela Harmtodt, Sprecherin der Grünen Wirtschaft Vorarlberg, Grafikdesignerin und von der Kürzung selbst betroffen, wirft den Verantwortlichen Kaltschnäuzigkeit vor. "Geraten Unternehmer in eine Schieflage, müssen sie diese auch aus eigener Kraft, ohne anderen auf der Tasche zu liegen, überwinden." Sie selbst leide an einer chronischen Krankheit. Wie viele andere Betroffene habe sie aus diesem Grund keinen Zugang zu privaten Zusatzversicherungen.

Von der Angst, in eine Armutsfalle zu geraten, spricht Renate Linortner. Die Bilanzbuchhalterin machte sich vor fünf Jahren selbstständig. Da war sie 54, "ein klassischer Einpersonenbetrieb, da ich in diesem Alter anderswo keinen Job mehr bekommen hätte". Falle sie krankheitsbedingt einen Monat aus, erhalte sie nun 255 Euro, wobei sie 30 Euro selbst beitragen müsste. "Das ist Pflanzerei."

Vertragskündigung

30.000 Selbstständige sind freiwillig zusatzversichert. Finanzielle Abstriche gibt es seit heuer für mehrere tausend, schätzt die SVA, die diesen anbietet, die Verträge zu kündigen. Ein großer Teil unter ihnen sind Personenbetreuer und -pfleger, vermuten Experten.

Matthias Köchl will Zahlen auf den Tisch. Der Sprecher der Grünen für Selbstständige stellte diese Woche dazu eine parlamentarische Anfrage. Und er pocht einmal mehr auf höheren Schutz im Falle einer Krankheit für alle Einzelkämpfer. Ab dem elften statt 43. Tag sollte es für Selbstständige Krankengeld geben, ist aus Regierungskreisen zu hören. Im aktuellen Regierungsprogramm ist davon aber bisher nichts zu lesen. (Verena Kainrath, 2.2.2017)