Künftig könnten Zugbegleiter auch für Ausweiskontrollen zuständig sein.

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Auf den ersten Blick klingt es simpel: Was fürs Flugzeug gilt, soll auch für den Zug gelten – Passagiere zeigen vor dem Einsteigen nicht nur das Ticket, sondern auch den Pass und gegebenenfalls das Visum her. Wer das nicht kann, muss draußen bleiben. Beim näheren Hinschauen ist das, was Rot-Schwarz laut dem neuen Koalitionspakt vorschwebt, aber schon komplizierter.

Denn anders als beim Flugzeug steigen im Zug laufend Passagiere ein und aus. Zugbegleiter müssten also nicht nur einmal, sondern laufend Ausweise kontrollieren, und sie können auch nicht immer den Einlass verweigern, weil die Passagiere ja schon eingestiegen sind. Was aber, wenn jemand ohne Visum oder Pass aufgegriffen wird und sich weigert, den Zug zu verlassen, weil er oder sie ja über ein gültiges Ticket verfügt?

Heikles Gebiet

Dann müsste der oder die ÖBB-Bedienstete wohl die Polizei verständigen, meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Zwar könnte theoretisch auch ein Zugbegleiter selbst zu "angemessener Gewalt" greifen, um das Hausrecht der ÖBB zu wahren. Das ist aus verfassungsrechtlicher Sicht aber heikles Terrain, da es sich um Aufgaben handelt, die im Auftrag des Staates erfolgen und de facto sicherheitspolizeilichen Charakter haben. Rechtlich wäre es also gerade noch erlaubt, aber "nicht erwünscht", meint Funk. Und haftbar dafür wäre in jedem Fall der Staat, der das Bahnunternehmen ja zur Ausweiskontrolle verpflichtet hat.

Die "eleganteste Lösung" wäre laut Funk, die Ausweise nicht erst im Zug zu kontrollieren, sondern gleich beim Ticketkauf eine Ausweisnummer zu verlangen. Das würde sich im Übrigen gut mit dem – aus datenschutzrechtlicher Sicht umstrittenen – Anliegen von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) treffen, Bahngastdaten zu erfassen und zu speichern. Auch aus dem Büro von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), der sich für die Bahn-Ausweiskontrollen eingesetzt hat, hört man, dass das ein gangbarer Weg wäre.

Auch in der S-Bahn

Ausweiskontrollen in Zügen könnten jedenfalls nicht nur den grenzüberschreitenden Verkehr betreffen. Denn der Regierungsplan spricht vom Personentransport "insbesondere im internationalen Reiseverkehr", also nicht ausschließlich, zumal ja auch Regionalbahnen im Bereich der Migration über die grüne Grenze als Fortbewegungsmittel dienen. Der Plan in der derzeitigen Fassung würde die ÖBB und andere Beförderer also theoretisch auch verpflichten, beispielsweise in regionalen S-Bahn-Zügen zu kontrollieren, etwa auf der Strecke von Wolfsthal an der slowakischen Grenze in Richtung Wien.

Ob Zugkontrollen oder Passnummer beim Ticketkauf: Paradox ist, dass Österreich bei seinem Vorhaben, die Schengenkooperation zu lockern, jedenfalls auf die Kooperation anderer Schengenländer angewiesen wäre. Denn Tickets werden nicht nur bei den ÖBB gekauft, sondern auch bei ausländischen Zugunternehmen. Damit diese ebenfalls ihre elektronischen Ticketverkäufe auf Ausweiskontrolle umstellen – denn nur so funktioniert der geplante Abschreckungseffekt –, müsste Österreich mit den betreffenden Staaten Verträge abschließen, damit diese die jeweiligen Bahnunternehmen gesetzlich zur Kontrolle verpflichten.

Abwarten bei ÖBB

Aus der ÖBB-Zentrale heißt es, man warte einmal ab. Um Ausweise zu kontrollieren, müssten nämlich ohnehin erst "eine Reihe von Gesetzen geändert werden", sagt ÖBB-Sprecher Roman Hahslinger zum STANDARD. Derzeit stehe die Identitätsfeststellung wegen Verdachts auf unrechtmäßige Einreise nur der Polizei im Rahmen des Sicherheitspolizeigesetzes zu. (Maria Sterkl, 1.2.2017)