Wien – Wie furchtbar im April die Vergewaltigung einer 21-jährigen Gaststudentin gewesen sein muss, zeigt beim Prozess gegen drei junge Angeklagte das psychologische Gutachten. Hossein G., Mohammad S. und Maissam S. sind am Verkehrsknotenpunkt Praterstern dem Opfer auf das Damen-WC gefolgt, haben sie überwältigt und mehrfach vergewaltigt. Die psychischen Folgen, in der Expertise nüchtern ausgedrückt: 15 Tage schwere Schmerzen, 56 Tage mittlere und 56 Tage leichte.

Die drei unbescholtenen Angeklagten, damals 16 und 17 Jahre alt, sind am zweiten Verhandlungstag deutlich geknickter als zu Beginn des Schöffenprozesses. Dem Senat unter Vorsitz von Norbert Gerstberger haben sie die Tat gestanden. Die Reumütigkeit war und ist dabei aber ausbaufähig. 24.310 Euro will das Opfer als Schmerzensgeld. "Wie können wir diesen Betrag bezahlen?", fragt einer der Angeklagten. "Das ist Ihr Problem", ist Gerstbergers Reaktion.

Bedingte Bereitschaft zur Schmerzensgeldzahlung

Die beiden Haupttäter sind schließlich bereit, 10.000 und 8.000 Euro anzuerkennen. Interessanterweise ist ihr Mittäter, der laut DNA-Gutachten das Opfer nicht vergewaltigt, sondern "nur" fixiert und ihr den Mund zugehalten hat, bereit, die gesamte Summe theoretisch zu zahlen.

Vor den Schlussplädoyers liest der Vorsitzende noch aus den Akten vor. Dort steht unter anderem, dass sich der Drittangeklagte in der Untersuchungshaft eine Ordnungswidrigkeit geleistet hat. "Bitch, I fuck you", hat er zu einer Justizwachebeamtin gesagt und auf sie hingeschlagen. "Die Frau wollte mich zum Arzt bringen und hat mich mit dem Schlüsselbund geschlagen", behauptet der Teenager. Eine Verletzung am Ellbogen wurde allerdings nur bei der Frau registriert.

Die Jugendgerichtshilfe hat erhoben, dass zwei der Burschen zwar Afghanen sind, aber im Iran aufwuchsen. Der Drittangeklagte, bei dem auch eine verzögerte Reife festgestellt wurde, wurde von der Familie alleine nach Europa geschickt. "Das waren natürlich äußerst ungünstige Familienverhältnisse. Wenn man mit überzogenen Erwartungen und Hoffnungen weggeschickt wird", sagt Gerstberger zu dieser Situation.

"Es geht ihr nach wie vor nicht gut"

Bei den Schlussworten fasst die Privatbeteiligtenvertreterin die Lage ihrer Mandantin noch einmal zusammen: "Es geht ihr nach wie vor nicht gut." Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Türkin in ihrer Heimat keinen familiären Rückhalt hat. "Ihre Mutter hat gesagt, dass es eine Schande ist, überhaupt darüber zu sprechen." Sie verlangt vom Senat, "mit der notwendigen Härte vorzugehen".

Dieser Wunsch wird ihr erfüllt. Bei einer möglichen Höchststrafe von siebeneinhalb Jahren entscheidet sich das Gericht nicht rechtskräftig für je sechs Jahre bei den ersten beiden Angeklagten, der Drittangeklagte erhält als Mittäter fünf Jahre.

Ein reumütiges Geständnis habe man nicht erkannt, begründet Gerstberger. Die Brutalität der Vergewaltigung, die für das Opfer qualvoll war, sei ein Erschwerungsgrund. Das von den Verteidigern Bernhard Aigner, Martin Mahrer und Roland Pohle vorgebrachte Argument, dass Frauen in den Herkunftsländern ihrer Mandanten einen anderen Stellenwert hätten, kann der Vorsitzende nur zum Teil nachvollziehen. Vergewaltigungen seien auch dort verboten.

Kritik an Betreuungssystem

In einem Punkt gibt Gerstberger Verteidiger Pohle aber recht: Das Betreuungssystem für Asylwerber "könnte man natürlich besser machen". Pohle hatte angeprangert, dass sein Mandant eigentlich in einem Caritasheim in Oberösterreich untergebracht sei, ihn aber niemand daran gehindert habe, nach Wien zu fahren.

Auch den Sinn der Videoüberwachung an den Bahnhöfen kann er sich nicht recht erklären. Die drei Angeklagten hätten schon vor der Tat mit einer anderen Gruppe einen Konflikt gehabt. "Warum greift da niemand ein oder ruft zumindest die Polizei? Es sitzen ja Menschen vor den Monitoren!" Dass die Exekutive die Polizeiinspektion am Praterstern geschlossen hat, stößt ihm auch sauer auf. (Michael Möseneder, 31.1.2017)