Semperit-Chef Thomas Fahnemann zeigt, wie die Marge bei Medizinhandschuhen zurückgeht, Folge der zuletzt stark und unvermittelt gestiegenen Rohstoffpreise.

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STANDARD: Bleibt der US-Markt für Semperit auch nach der Wahl von Donald Trump interessant?

Fahnemann: Natürlich. Auf der Medizinseite sind die USA nach wie vor der größte Markt. Zudem, und das ist der Unterschied zu anderen Ländern, werden dort auch im nichtmedizinischen Bereich viel mehr Handschuhe getragen, etwa im Lebensmittelhandel und oder bei der Polizei. Security-Mitarbeiter auf Flughäfen müssen alle zehn Minuten ihre Handschuhe wechseln.

STANDARD: Wie hoch ist der Pro-Kopf-Verbrauch?

Fahnemann: In den USA durchschnittlich 160 bis 170, in Europa knapp 100, wobei Europa aber aufholt.

STANDARD: Wollen Sie immer noch eine eigene Produktion in den USA aufziehen?

Fahnemann: Nicht bei Handschuhen, die kommen aus Thailand oder Malaysia. Eine eigene Produktion planen wir für Förderbänder, die zum Kohle-, Erz- oder Getreidetransport eingesetzt werden. Wir gehen vor wie immer: Rein in den Markt mit Verkauf und Marketing, Belieferung aus unseren bestehenden Werken im Ausland und dann, wenn wir eine kritische Größe erreicht haben, Start einer eigenen Produktion vor Ort.

STANDARD: Wann könnte es so weit sein?

Fahnemann: Dieses oder nächstes Jahr, abhängig davon, wie sich der Markt entwickelt.

STANDARD: Wo planen Sie das Werk?

Fahnemann: In Georgia – aufgrund logistischer Überlegungen und wegen der Incentives. Amerika ist sehr attraktiv als Investitionsstandort, was Genehmigungen, steuerliche Anreize und Grundstücke betrifft.

STANDARD: Trump hat eine schärfere Gangart gegenüber dem Ausland angekündigt, will Produktion verstärkt ins Land holen. Spielt das in Ihren Überlegungen eine Rolle?

Fahnemann: Wir haben dieses Projekt verfolgt, noch bevor Trump Präsident wurde.

STANDARD: Schlägt das Pendel, das nun viele Jahre in Richtung Globalisierung geschwungen ist, wieder zurück?

Fahnemann: Es scheint so. Zumindest kurzfristig wird es einen Bremseffekt geben.

STANDARD: Trump versucht, den US-Markt abzuschotten?

Fahnemann: Das kann kurzfristig erfolgreich sein, weil Staaten einknicken – die USA sind ein Riesenmarkt. Aber insgesamt kann die Globalisierung nicht aufgehalten werden, das ist gut so. Ich bin für Freihandel. Wenn ich nicht in der Lage bin, wettbewerbsfähig anzubieten, habe ich keine Chance und muss mich anders orientieren.

STANDARD: Machen Ihnen die Ansagen der neuen US-Administration Angst?

Fahnemann: Ich möchte das nicht herunterspielen, Panik habe ich aber auch nicht. Wir fühlen uns relativ wohl, was die Handschuhsparte betrifft. Es gibt keinen Produzenten in den USA, weil das im Moment kein nachhaltiger, wettbewerbsfähiger Standort dafür ist. Daran wird sich die nächsten zehn Jahre nichts ändern. Hydraulikschläuche liefern wir von Europa und Asien in die USA. Da gibt es zwar lokale Konkurrenten. Wir glauben aber, dass wir sehr wettbewerbsfähig sind. Bei Fensterprofilen wollen wir vorgehen wie bei den Förderbändern: Zuerst eine kritische Masse erreichen und dann lokal produzieren – mit oder ohne Trump.

STANDARD: Trump scheint wider Erwarten in die Kategorie Planbarkeit zu fallen. Er macht eine Ankündigung, setzt die um, und dazwischen wird nicht lang gefackelt?

Fahnemann: Im Moment ist alles sehr medienwirksam, was dort passiert. Es gibt aber auch noch Kongress und Senat, und man muss sehen, wie stark der Widerstand wird. Klar aber ist, dass es zu einer Disruption kommt. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir ein stärkeres Europa brauchen.

STANDARD: Sind sie zuversichtlich, dass der Außendruck die Einigkeit in der EU erzwingen wird?

Fahnemann: Ich hoffe. Jeder weiß zwar, dass etwas geschehen muss, nur passiert ist bisher nichts.

STANDARD: Dafür tut sich technologisch jede Menge. Wann werden in Ihren Werken Maschinen mit Maschinen sprechen?

Fahnemann: Das haben wir zum Teil schon. In unserer Produktion sind beispielsweise auch 3-D-Drucker integriert, die etwa beim Bau neuer Werkzeuge hilfreich sind. Wofür wir früher drei Monate gebraucht haben, geht jetzt in drei Stunden. Industrie 4.0 passiert nicht von heute auf morgen, das ist ein Prozess.

STANDARD: Sie haben nach der vereinbarten Auflösung Ihres konfliktträchtigen Joint Ventures in Thailand angekündigt, die Dividendenpolitik zu überprüfen. Warum?

Fahnemann: In normalen Jahren schütten wir 50 Prozent unseres Gewinns aus, das ist unsere Dividendenpolitik. 2016 gibt es aber wegen der Joint-Venture-Auflösung einen negativen Sondereffekt, im laufenden Geschäftsjahr einen positiven. Wir werden deshalb die Jahre 2016 und 2017 einer gesonderten Betrachtung unterziehen und dann eine Entscheidung treffen.

STANDARD: Wie läuft das Geschäft aktuell?

Fahnemann: Schwierig. Bei Handschuhen haben wir einen Masseneffekt, viele neue Kapazitäten sind auf den Markt gekommen, wir spüren Druck auf die Marge. Das kommt nicht überraschend und wird sich Ende 2017, Anfang 2018 wieder einspielen. Zusätzlich sind die Rohstoffpreise in die Höhe geschnellt. Das hat nicht nur uns auf dem linken Fuß erwischt, zumal der Preisanstieg fundamental nicht erklärbar ist.

STANDARD: Wie stark ist der Preisanstieg?

Fahnemann: 40 bis 60 Prozent – seit November. Wir sind wieder dort, wo wir vor viereinhalb bis fünf Jahren waren. (Günther Strobl, 31.1.2017)