Die Staatsanwaltschaft soll von Telekomkonzernen das "Einfrieren" von Kundendaten verlangen können

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Demonstranten vor dem Bundeskanzleramt in der vergangenen Woche.

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Die Koalitionsparteien haben sich auf eine Nachfolgeregelung zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung geeinigt. Künftig sollen Daten, die bei Telekomkonzernen anfallen, nach einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung bis zu zwölf Monate "eingefroren" werden können. Die Staatsanwaltschaft kann anschließend auf diese Daten zugreifen, sollte sich ihr Ermittlungsverdacht erhärten. Trifft das nicht zu, wird der Verdächtige über den Vorgang informiert. Damit sollen die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verlangten Grundrechtserfordernisse gewahrt werden.

"Beim Quick Freeze werden nur konkrete Personen überwacht, außerdem nur bei einem konkreten Anfangsverdacht", sagt der IT-Anwalt Lukas Feiler von Baker McKenzie zum STANDARD. Damit sind zwei wesentliche Unterscheidungsmerkmale zur Vorratsdatenspeicherung gegeben, die vom Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig bezeichnet worden war.

Löschverbot von Rechnungsdaten

Die Überwachungsmethode greift darauf zurück, dass Telekomkonzerne gewisse Daten zu Verrechnungszwecken ohnehin speichern. Durch das Einfrieren soll verhindert werden, dass diese Informationen routinemäßig gelöscht werden. Allerdings sind die Speicherfristen der einzelnen Unternehmen uneinheitlich.

Bei manchen Providern werden etwa Informationen über zugewiesene IP-Adressen schon nach wenigen Tagen gelöscht, bei manchen Mobilfunkern Daten über Telefonanrufe mehr als drei Monate lang aufbewahrt. Im Arbeitsprogramm der Regierung ist nicht vermerkt, ob eine Vereinheitlichung dieser Speicherfristen geplant ist. Kommt diese doch, handelte es sich erst recht wieder um eine Form der Vorratsdatenspeicherung.

Nachrichtendienste wie Whatsapp kontrollieren soll laut Christian Kern nur auf Basis rechtsstaatlicher Standards passieren.
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Aus technischer Sicht brauche man für den Quick Freeze "neue Infrastruktur", sagt Maximilian Schubert vom Verband der Internetserviceprovider (ISPA) zum STANDARD. Er rechnet mit Kosten in Höhe mehrerer Millionen Euro.

Neue Variante der Vorratsdatenspeicherung

Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenminister Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) hatten wiederholt eine neue Variante der Vorratsdatenspeicherung gefordert. Diese war 2014 nach Entscheiden von EuGH und Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt worden. Der EuGH hatte erst unlängst bekräftigt, dass eine anlasslose Massenüberwachung von Bürgern gegen die Grundrechtecharta verstößt.

Whatsapp-Überwachung

Im Arbeitsprogramm der Regierung wird außerdem von der "Ermöglichung der Überwachung internetbasierter Kommunikation" gesprochen. Wie auf Whatsapp- oder Skype-Inhalte zugegriffen werden soll, wird allerdings nicht ausgeführt. Hier ist lediglich die Rede von der Schaffung "neuer Ermittlungsmaßnahmen".

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Damit könnte der sogenannte Bundestrojaner gemeint sein, eine Schadsoftware, die in die Rechner und Smartphones von Verdächtigen eingeschleust wird. Pläne dazu waren vergangenen Sommer nach heftigen Protesten vorerst eingestampft worden. Innenminister Sobotka hatte den Wunsch nach einem Bundestrojaner jedoch Anfang Jänner wieder geäußert.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Internetverkehr von Verdächtigen vom Provider in das Innenministerium geleitet wird, wo er dann entschlüsselt wird.

Demonstration gegen Überwachung geplant

Wie bereits in den vergangenen Tagen durchgesickert ist, sollen außerdem anonyme Wertkarten abgeschafft werden. Diese sollen künftig nur mehr mit Ausweis erworben werden kommen. Dazu kommt ein Ausbau der Videoüberwachung, außerdem soll der Autobahnbetreiber Asfinag Systeme für eine elektronische Kennzeichenerfassung erhalten.

An den Plänen der Bundesregierung gibt es bereits heftige Kritik von Bürgerrechtlern. Die Organisation Epicenter.works (früher AK Vorrat) hat für Montagabend eine Demonstration vor dem Bundeskanzleramt angekündigt. Der AK Vorrat hatte bereits die erste Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit einem Verfahren bis zum Verfassungsgerichtshof juristisch bekämpft.

Der grüne Abgeordnete Albert Steinhauser spricht davon, dass "beim Thema Überwachung alle Dämme gebrochen" seien. Er kündigt im Gespräch mit dem STANDARD an, "nötigenfalls wieder bis zum Verfassungsgerichtshof" zu gehen. Niko Alm von den Neos sprach von einer "gesamtheitlich verstörenden Entwicklung", da "eine Überwachungsinfrastruktur gebaut wird, die immer weiter wächst."

(Fabian Schmid, 30.1.2017)