Seit jenem schrecklichen Augenblick vor 15 Jahren, als die Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center einschlugen, haben sich amerikanische Präsidenten um eines bemüht: dass sich der Kampf gegen radikalislamische Terrorgruppen nicht in einen Krieg gegen den Islam verwandelt. George W. Bush zog das missglückte Wort vom "Kreuzzug" rasch zurück und warnte vor der Diskriminierung muslimischer Amerikaner. Barack Obamas Kairoer Rede 2009 war ein ehrgeiziger Versuch, die jahrhundertealte Kluft zwischen dem Westen und der islamischen Welt zu überwinden. Dies war innenpolitisch nicht immer leicht, denn viele Amerikaner setzen seit 9/11 Islam mit Terror gleich. Und auch das Zögern moderater Muslime, radikale Kräfte in ihrer Mitte eindeutig zu verdammen, spielte den Feinden dieses Kurses in die Hände.

Mit einem Federstrich hat Donald Trump diese Politik ins Gegenteil verkehrt. Sein Einwanderungsstopp für sieben Länder und die sonstigen Anordnungen sind – auch wenn er sie als Schritt zum Schutz der US-Bevölkerung anpreist – eine Kriegserklärung an eine Weltreligion und die rund 1,6 Milliarden Menschen, die sich mit dem Islam identifizieren.

Die völlig unüberlegte Anordnung sorgt erst einmal für Chaos an zahlreichen Flughäfen und bedeutet für tausende Betroffene persönliches Leid und zerstörte Lebensträume. Die mittelfristigen Folgen für die US-Einreisepolitik sind weniger klar. Die Maßnahmen sind vielfach unumsetzbar, verstoßen gegen US-Gesetze und werden von den Gerichten zumindest teilweise außer Kraft gesetzt werden.

Trumps Bann trifft irakische Kurden, die zu den engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten zählen, genauso wie all jene Exil-Iraner, die ihre Staatsbürgerschaft nicht abgeben können, langjährige US-Einwohner und sogar Flugpersonal. Dass islamische Länder ausgenommen sind, in denen Trump investiert hat, ist ein erfreulicher Nebeneffekt für die Präsidentenfamilie. Wenn republikanische Politprofis den wilden Kindergarten im Weißen Haus ein wenig zähmen, werden sie einige Anordnungen wieder entschärfen. Die Zahl der von den USA aufgenommenen Flüchtlinge wird zwar sinken, aber sie war auch bisher schon beschämend niedrig.

Was immer am Ende konkret herausschaut – und Trumps Politik ist nicht auf langfristigen Wandel, sondern auf kurzfristige Effekte ausgerichtet -, eine Botschaft wird jedenfalls stehenbleiben: Der Präsident der USA, als höchster Vertreter seines Landes, hasst den Islam.

Das ist eine Steilvorlage für die Rekrutierungskampagnen des "Islamischen Staates" und wird den Kampf gegen den IS, Trumps erste außenpolitische Priorität, massiv erschweren. Arabische und europäische Regierungen werden zögern, mit diesem Präsidenten zusammenzuarbeiten. Trumps Dekret rechtfertigt zwar keine Gewalt, es wird diese aber fördern und dadurch Menschenleben kosten – auch jenes amerikanischer Bürger. Es fällt auf, dass Israels Regierung bei der von Trump versprochenen Übersiedlung der US-Botschaft nach Jerusalem bremst, weil sie solche Gewaltreaktionen im eigenen Land fürchtet.

Trumps Glaubwürdigkeit liegt bereits in Scherben – zu Hause und in der Welt. Der Wahnsinnstruppe im Weißen Haus ist das gleichgültig. Aber die blutigen Folgen einer dysfunktionalen Politik können auch selbstgefällige Tweets nicht ungeschehen machen. (Eric Frey, 29.1.2017)