Für die Danube Flats wurde erstmals ein städtebaulicher Vertrag geschlossen.

Visualisierung: Danube Flats GmbH

Evelyn Susanne Ernst hofft künftig auf Best-Practice-Beispiele.

Foto: APRE

Evelyn Susanne Ernst, Leiterin der Wiener Immobilienallianz APRE, warnt davor, städtebauliche Verträge als Ablasshandel zu verstehen. Noch stecke das Vehikel hierzulande in den Kinderschuhen.

STANDARD: 2014 wurde in Wien der städtebauliche Vertrag eingeführt. Wo stehen wir heute?

Ernst: Der städtebauliche Vertrag steckt noch in den Kinderschuhen. Aktuelle Verfahren sind Annäherungen zwischen öffentlicher Hand und Investorenschaft. Es ist ein zivilrechtlicher Vertrag, mit dem Unterschied, dass sich Braut und Bräutigam vorerst noch kaum kennen.

STANDARD: Das heißt?

Ernst: Es gibt bislang wenige ausverhandelte und abgeschlossene städtebauliche Verträge – und keinen, der bereits realisiert wurde. Also gibt es wenige Vergleichsfälle für die Mitgiftverhandlungen. Ob und in welcher Form ein Vertrag zum Einsatz kommt, liegt derzeit im Ermessens- und Interpretationsspielraum der Juristen.

STANDARD: Gibt es einen Schwellenwert?

Ernst: Ein städtebaulicher Vertrag wird nicht bei jedem x-beliebigen Projekt spruchreif, sondern bei großen bzw. komplexen Bauvorhaben, bei denen eine Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit eines solchen Vertrags für die öffentliche Hand gegeben ist.

STANDARD: Sie stellen in Ihrem Vortrag die Frage, ob der städtebauliche Vertrag ein Mehrwertausgleich ist – oder doch nur Ablasshandel.

Ernst: Diese Gefahr besteht. Ganz nach dem Motto: Wie viele Bitcoins kostet ein Stockwerk? Das darf es nicht werden. Wichtiger ist, den städtebaulichen Vertrag als einen Investitionsbeschleuniger zur Umwidmung und Mobilisierung unbebauter Flächen oder schlecht genutzter Gebäude zu betrachten, also mit dem Investor eine Kostenbeteiligung an der Infrastruktur zu verhandeln, die mit der Nutzung des Projektes direkt verbundenen ist.

STANDARD: Wer beschließt Art und Umfang?

Ernst: Das wird verhandelt und vertraglich festgelegt. Das kann eine Straße, eine Fußgängerbrücke, ein Schulbauzuschuss sein, aber auch Wohnungen, Allgemein- und Grünflächen.

STANDARD: Über die städtebaulichen Verträge wurde bislang nur wenig freigegeben. Warum?

Ernst: Gute Frage! Möglicherweise, weil der Prozess erst in Entwicklung ist und es noch an Routine mangelt. Letztendlich aber sind Investitionskosten und Gewinne eine Frage der Vertraulichkeit. Das hängt auch davon ab, wie viel ein Projektentwickler von sich freigeben will. Mitbewerber hören schließlich auch mit.

STANDARD: In Deutschland sind Resultate und Details öffentlich einsehbar.

Ernst: Deutschland hat eine ganz andere Planungskultur. Außerdem darf man nicht außer Acht lassen, dass der städtebauliche Vertrag in Deutschland als Instrument nach der Wende implementiert wurde und schon seit vielen Jahren im Baugesetzbuch verankert ist. Beim Projekt Mitte-Altona in Hamburg sind Vertrag, Protokolle und sogar Kostenkalkulationsblätter öffentlich einsehbar.

STANDARD: Ein Ziel für Österreich?

Ernst: Diese exakte Kalkulierbarkeit ist in Österreich – noch – nicht gegeben. Es wäre schon ideal, wenn der städtebauliche Vertrag als sinnvolles Steuerungsinstrument und Möglichkeit einer infrastrukturellen Querfinanzierung wahrgenommen würde. Es braucht Best-Practice-Beispiele.

STANDARD: Ihre Zukunftsprognose?

Ernst: Vorausgesetzt, dass das Instrument verfassungsrechtlich nicht gekippt wird, gehe ich davon aus, dass wir den städtebaulichen Vertrag in den kommenden Jahren standardisieren und zeitliche und finanzielle Rahmenbedingungen definieren können. Das würde zu einer höheren Akzeptanz führen. (1.2.2017)