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Donald Trump aus Pappe für den Karnevalsumzug in Nizza: Der Spaß ist längst vorbei, das Entsetzen bald. Der Gewöhnungseffekt ist zu befürchten.

Foto: Reuters / Eric Gaillard

Das Entsetzen über Donald Trump im westlichen Teil der Welt wird wohl noch eine Weile anhalten. An dieser erratisch-komisch-beängstigenden Person kommt momentan niemand vorbei – nicht einmal die sonst so konsequente Kollegin Guha, die sich für Ihr "Einserkastl" (Die Kolumne auf der Titelseite des Print-STANDARD) eigentlich vorgenommen hatte, nicht über das "T"-Wort zu schreiben.

Sogar Axel Hacke, der ansonsten für die "Süddeutschen Zeitung" das "Beste aus aller Welt" würdigt, arbeitete sich in der vergangenen Woche am neuen Mann im Weißen Haus ab. Und er stellte die zentrale Frage an alle und an sich selbst: Werden wir uns an Dreistigkeit, Schmutz und Lüge einfach langsam gewöhnen, so, wie wir uns auch an vieles andere gewöhnt haben, das eigentlich nicht zu ertragen ist? Hacke hofft, dass dem nicht so ist – dass wir nicht aus dem Kopf bekommen, wie Menschen wie Trump Frauen verachten, Behinderte verhöhnen und die einfachsten Regeln des Anstands im menschlichen Umgang brechen – und dafür auch noch mit Wählerstimmen und öffentlichen Ämtern belohnt werden.

Kaum Hoffnung

Es ist zu hoffen, dass Deutschland und die Deutschen hier anders ticken – für Österreich muss man, was das betrifft, schon seit Jahren jede Hoffnung fahren lassen. Wir haben uns hierzulande längst gewöhnt. Wir leben mit dem Unerträglichen seit gut 30 Jahren, als ein junger, unverschämter Kerl namens Jörg Haider vom Innsbrucker FPÖ-Parteitag aus anhub, den Rest des Landes zu erobern. Er tat dies mit einem Frontalangriff auf "das System", das, bis dato bequem proporzgebettet und durch die eigene – scheinbare – Unabwählbarkeit mangels Alternativen träge eingelullt, jede Menge offene Flanken darbot.

Die Kollateralschäden auf seinem Weg nach oben interessierten Haider nicht, auch wenn es deren eine Menge gab. Haider und seine Truppe haben mit ihren Attacken auf "die Ausländer" ewige Sündenböcke geschaffen, die kann man immer beschuldigen, wenn etwas schiefgeht. SPÖ und ÖVP griffen das heimlich dankbar auf und setzten es für ihre eigenen Zwecke ein, wenn ihnen die Wähler davonzulaufen drohten. Dass sie es trotzdem taten, ist der Fluch der bösen Tat.

Politik der Sündenböcke

Dennoch wirkt die Sündenbockpolitik bis heute nach, wenn ein schwarzer Innenminister und ein roter Verteidigungsminister einander mit Ideen überbieten, die Grenzen möglichst gut vor vermeintlichen Eindringlingen zu schützen – egal wie schützenswert diese tatsächlich sein mögen. Und wenn die Polizei gemeinsam mit dem Medienboulevard in schönster Eintracht Terrorangst schürt.

Und sie lebt weiter in der Dreistigkeit, mit der Haiders blaue Erben jede Integrationsmaßnahme ablehnen, gleichzeitig aber totale Assimilation von Zugereisten verlangen.

Haider Vermächtnis sind auch das Misstrauen und die Verachtung, die demokratischen Institutionen seither entgegenschlagen, sie sprangen aus dem Mund des einstigen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, als dieser das Parlament als "Quatschbude" bezeichnete. Das Anliegen der österreichischen Rechtspopulisten und -nationalisten war stets, die Demokratie auszuhöhlen. Und während Haider noch recht direkt und persönlich seine Lieblingsfeinde ORF und Qualitätsmedien verbal geprügelt hat, haben Strache und dessen Mastermind Kickl schnell erkannt, dass sich Facebook hervorragend dafür eignet, alle etablierten Medien außer den willfährigen zu unterminieren, und nicht nur die Glaubwürdigkeit von Journalisten, sondern diese selbst durch Shitstorms und persönliche Attacken zu zerstören.

Nebenbei vernetzt man sich dann auch noch eifrig mit anderen extrem rechten Parteien in Europa, auf dass die Bewegung der Zerstörung aller europäischen Gemeinsamkeiten nur ja zum Tsunami werde.

Appeasement aus Angst

An all das hat man sich längst gewöhnt in Österreich, SPÖ und ÖVP, die einstigen "staatstragenden Parteien", richten ihren Fokus auf die FPÖ statt sie zu bekämpfen, weil diese genau das, den demokratischen Staat und seine Institutionen, zerstören möchte. Orientiert sich die ÖVP-Kanzlernachwuchshoffnung Sebastian Kurz rhetorisch und inhaltlich an den Grenzen-dicht-Parolen der FPÖ, darf auf SPÖ-Seite Kanzler Christian Kern nicht nachstehen.

Ganz zufällig begibt man sich in einen freundlichen Dialog mit Strache vor (Radio-)publikum und signalisiert so, dass man vielleicht doch miteinander könnte. Zwar bastelt man einen Kriterienkatalog für künftige Koalitionen – doch sei's drum, politisch marschieren maßgebliche Teile der SPÖ ohnehin schon in Richtung Blau.

So etwas nennt man Abstumpfung aus Existenzangst – oder Gewöhnungseffekt. Es steht zu befürchten, dass der in Sachen Trump auch bald eintreten wird. (27.1.2017, Petra Stuiber)