Lausanne – Wer bestimmte Genvarianten in sich trägt, neigt zum Dickwerden. Ein weiterer gewichtiger Faktor sind aber auch die sozialen Rahmenbedingungen. Deshalb sei es wichtig, beim Kampf gegen Übergewicht auch die Städteplanung zu berücksichtigen, schreiben Wissenschafter der ETH und des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) gemeinsam mit britischen Kollegen.

Unterschiede beim Einkommen, bei Bildung, Alter, Herkunft – all diese Faktoren können nicht vollständig erklären, warum Übergewicht in Städten wie Genf und Lausanne ungleichmäßig verteilt ist. Das hatten Studien aus den Jahren 2014 und 2016 gezeigt. Das internationale Forscherteam um Stephane Joost von der ETH Lausanne (EPFL) konnte nun auch den Einfluss der genetischen Prädisposition nachweisen.

Dieses genetisch bedingte Risiko für Übergewicht errechneten die Wissenschafter anhand von 69 Genvarianten. Die Wahrscheinlichkeit, auch tatsächlich übergewichtig zu werden, ist dann besonders groß, wenn zu den Genen noch widrige soziale Umstände hinzukommen, berichten die Wissenschafter im Fachblatt "International Journal of Epidemiology".

Stadtplan der sozialen Unterschiede

Auf die Spur dieses Zusammenhangs kamen die Lausanner Forschenden in Zusammenarbeit mit Kollegen der University of Exeter, die Daten von 120.000 Briten aus der britischen Biobank untersuchten. Den Befund daraus bestätigten sie anschließend anhand der "CoLaus"-Kohortenstudie mit 6.000 Einwohnern der Stadt Lausanne.

Die Wissenschafter nutzten den sogenannten "Townsend Deprivation Index", der aus dem Jahr 1987 stammt. Damit lässt sich eine "soziale" Land- bzw. Stadtkarte erstellen, die vier Faktoren berücksichtigt: den Anteil der arbeitslosen Bevölkerung, wie viele Personen pro Zimmer in einer Wohnung zusammenleben, sowie die Quote von Auto- und Hausbesitzern.

Auch wenn viele heute freiwillig auf ein Auto verzichten und dies nicht zwingend den sozialen Status spiegelt, zeigt der Index für Lausanne einen klare Segregation in einen sozial schwächeren Westen und "reicheren" Osten. Anschließend untersuchten die Forscher, wo in der Stadt sich die genetische Prädisposition besonders in einem höheren Body-Mass-Index niederschlug. Auch hier war der Westen Lausannes stärker betroffen als der Osten.

Städteplanung als Gesundheitsfaktor

Wie stark das Umfeld den Effekt der Gene verstärkt, sei wegen der relativ kleinen Probandenzahl schwer zu bestimmen, schreiben die Autoren. In der britischen Studie der University of Exeter mit 120.000 Personen, ließ sich der Unterschied eher beziffern: Ein niedriger Lebensstandard bedeutete dort rund ein Kilogramm mehr Körpergewicht – zumindest für eine durchschnittlich große Person.

Es reicht daher nicht aus, Gesundheitskampagnen gegen gezuckerte Getränke und frittiertes Essen durchzuführen, sagt Studienleiter Joost. Man müsse auch danach fragen, in welchem Maß die Städteplanung beitragen könne, gegen das Problem zunehmenden Übergewichts vorzugehen. Dass die Wohngegend einen Einfluss auf die Regelmäßigkeit körperlicher Aktivitäten hat, zeigte bereits eine Analyse von 14 Städten weltweit. (APA, sda, 26.1.2017)