Der "President-elect" seinerzeit im Mai in der Hofburg: Bis Alexander Van der Bellen tatsächlich angelobt werden sollte, mussten aber doch noch ein paar Monate ins Land ziehen.

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Der deutsche Wahlwiener Friedrich Hebbel reimte anno 1862, Österreich sei "eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält". Der populistische Erfolgslauf in Europa und in den USA würde vor Österreich nicht haltmachen und einen weit rechten, gar neofaschistischen Politiker in das Amt des österreichischen Bundespräsidenten hieven, hieß es. Das bescherte uns einen kritischen politischen Verdacht und internationale Aufmerksamkeit, die unserem kleinen Land normalerweise nicht zukommt.

Es kam dann doch anders. Der biedere "Dämon" Norbert Hofer verlor, bejubelt. Applaudiert wurde dem Sieger Alexander Van der Bellen, weil urban, europa- und weltoffen, ja kosmopolitisch gesinnt.

So weit die überhitzten und verstellenden politischen Erzählungen von 2016, die schon wenige Wochen nach der Wahl ausgedünnt, verpufft und vergangen sind. Die politische Welt schleift sich wieder bodennah ein und wird uns so wieder vertrauter.

Der "President-elect" (Van der Bellen selbst mit Trump-Attitüde) bläst zwei Tage nach seiner Wahl zur rhetorischen Abrüstung, was all dem, was an politischer Ernsthaftigkeit und wichtiger Gegensätzlichkeit angedeutet wurde, wieder den Zahn zieht.

Spaltung, sagt er, welche Spaltung? Herbeigeredet! Wir Österreicher seien doch bitte Walzertänzer. Zum Walzer, sagt er uns, gehören zwei, und man brauche Takt füreinander (was die gefährlichen politischen Deutungen des Tanzes verniedlicht). Wir sollen von beiden Enden aufeinander zugehen und wo immer miteinander reden – wir seien schließlich das Land, in dem das Gemeinsame mehr als das Trennende zähle.

Unser "President-elect" imaginiert – etwas erstaunlich – das populistische "uns", aber er bleibt die Erklärung schuldig, was das Band sei, das "uns" wieder zu einem gemeinsamen "uns" verbinden kann, nach der politischen Hitzeperiode 2016.

Wer sich von der vagen kommunikativen Praxis noch angesprochen oder gar erkannt fühlen kann, bleibt offen. Sie erzeugt keine Gefühle und Stimmungslagen, um eine Bewegung in eine Richtung zu stimulieren, die politisch etwas erreichen will.

Systemische Nullrhetorik

Schon die gelegentliche Beobachtung zeigt die systemische Nullrhetorik, die einer emotionalen Regression gleichkommt, was die grassierende innere Deidentifikation und Departizipation der Wähler begünstigt und bestärkt. Folglich bleibt die Zuständigkeit für politische Emotion bei den bösen Rechten, die sich das nicht entgehen lassen werden.

Markant ist die Provinzialisierung der Institution (wie schon im Wahlkampf). Der Neujahrsempfang im hinteren Tiroler Dörfchen mit (rückläufig) 593 Einwohnern, Schützenkompanie, Musikkapelle und einem Gratisschnäpschen im engen sozialen Terrain. Wiedersehen auf dem Heldenplatz, Gulasch für alle. Das Lob der etablierten Machtverteilung ist hörbar. Die Eliten im Parlament, in Bürokratie und Regierung sollen wissen, er wolle sie nicht stören.

Hofer drohte den Tabubruch an, er hätte gerne den "Turbo" in der Hofburg gespielt und uns wundern machen wollen. Zugegeben, ein Blick in das Traumland des präsidentiellen Regierens ist durchaus faszinierend.

Wir stellen uns vor, der neue Präsident nimmt den ihm aus Gründen der Courtoisie angebotenen Rücktritt der amtierenden Bundesregierung an, weil er ihr nach reiflicher Überlegung wegen Leistungsversagens (geistert durch die Medien und die Köpfe der Akteure!) nicht das Vertrauen geben will. Der Staatsnotstand machte die Runde. Aber nur das Volk könnte den bekämpften Bundespräsidenten absetzen.

Unterhalb einer solchen Sensation – er kann Regierungspersonalpolitik machen. Er ernennt den Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die Mitglieder der Bundesregierung. Wenn er will, kann er die konkrete Personenwahl beeinflussen. Über die Personen kann er Inhalte beeinflussen und der künftigen Regierung die Richtung vorgeben. Er kontrolliert sie vom Anfang bis zu ihrem Ausscheiden. Ein aktiver Bundespräsident kann mindestens die Richtungskompetenz reklamieren. Will er das Volk abstimmen lassen, müsste ihm der Nationalrat ein Gesetz beschließen.

Der Präsident hat viel zu sagen, er muss anders als sein deutsches Pendant dafür nicht die Flucht in die große Rede antreten, sondern er kann seine konstitutionelle Macht durch das Reden inhaltlich kommunizieren und bekräftigen.

Pfadabhängig haben fast alle Präsidenten nach 1945 auf ihre Möglichkeiten verzichtet und den politischen Führungskonflikt mit der parlamentarisch gestützten Regierung umschifft. Sie praktizierten den erwarteten Machtverzicht. Kompensatorisch kultivierten sie das Repräsentieren vor dem Regieren. Wohlwollend die vornehme politische Zurückhaltung, den Stil der Stille. Sie spielten, weniger wohlwollend, den "Grüßaugust" im von den Parteien beherrschten parlamentarischen Regierungssystem.

Sie hätten freilich auch die "potestas" des Amtes mit ihrer persönlichen "auctoritas" unterstützen können (in Anlehnung an Theodor Eschenburg). Aber das alles ist politische Fiktion.

Andererseits, aus welchen anderen Gründen brauchen wir einen Bundespräsidenten? Wir sind ja schon sechs Monate ohne unseren HBP alten Stils und geräuschlos ausgekommen. Fortsetzung folgt! (Werner Pleschberger, Manfried Welan, 26.1.2017)