Bild nicht mehr verfügbar.

Escherichia-coli-Bakterien drängen sich um eine tote Zelle. US-Forscher haben den genetischen Code dieser Mikroben nun im Labor um zwei weitere Basen ergänzt.

Foto: STEVE GSCHMEISSNER / Science Photo Library / picturedesk.com

La Jolla / Wien – Der DNA-Code aller Lebewesen ist in einem Alphabet verfasst, das aus nur vier Buchstaben besteht. Die paarweise Anordnung der vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin bestimmt, wie ein Organismus aussieht und wozu er fähig ist. Was aber, wenn wir die Anzahl der Buchstaben erhöhen könnten? Dies würde nach Ansicht von Genetikern die Menge an Informationen erheblich vergrößern, die ein DNA-Strang speichern kann – und damit vielleicht auch zu völlig neuartigen Lebewesen führen.

Vor zwei Jahren ist einem Team um Floyd Romesberg vom Scripps Research Institute (TSRI) in La Jolla (Kalifornien) ein entscheidender Schritt zur Realisierung eines solchen Wesens geglückt: Die Forscher schleusten bei modifizierten Escherichia-coli-Bakterien ringförmige DNA-Abschnitte ein, die zwei zusätzliche künstliche Basen enthielten. Die Bausteine für die X und Y genannten Basen lieferte eine Nährlösung. Die neuen Buchstaben im Genom schienen den Keimen allerdings nicht gut zu bekommen: Die Mikroben vermehrten sich kaum und verloren im Verlauf weniger Teilungen die zusätzlichen Basen wieder.

Nun ist es den Wissenschaftern offenbar gelungen, diese Probleme zu lösen. Im Fachjournal "PNAS" stellen sie einen semisynthetischen Organismus vor, der nicht nur seine beiden zusätzlichen Basen selbst erzeugen kann, sondern sie auch ohne Verlust an die Folgegenerationen weitergibt.

Um dem teilweise künstlichen Genom längerfristige Stabilität zu verleihen, unternahmen Romesberg und seine Kollegen einige grundlegende Veränderungen am ursprünglichen Entwurf: Zunächst modifizierten die Forscher die Base Y in ihrer Zusammensetzung: Statt des Moleküls d5SICS kam das ähnlich aufgebaute Molekül dTPT3 zum Einsatz. Damit das Bakterium die neuen Basen auch selbst herstellen kann, erhielt es die Baupläne für einen speziellen Nukleotidtransporter, ein Protein, das die Bausteine für die Basen heranschafft.

Stabiles Kunstgenom

Als wichtigstes Werkzeug erwies sich die Genschere CRISPR/Cas9. Die vielgepriesene DNA-Editiermethode der Genetiker übernimmt in Bakterien eigentlich die Aufgaben eines Immunsystems, mit dessen Hilfe beispielsweise eindringende Viren erkannt und bekämpft werden. Die Forscher manipulierten den Mechanismus so, dass die Zellen genetische Sequenzen ohne die beiden Basen X und Y als feindlich identifizieren und zerstören.

Das Ergebnis ist ein halbsynthetisches Escherichia-coli-Bakterium, dessen Genom auch nach 60-maliger Teilung stabil bleibt. "Damit haben wir diese teilweise künstlichen Organismen lebensähnlicher gemacht", sagt Romesberg.

Der Eingriff in die Basis des genetischen Codes ist vorerst noch reine Grundlagenforschung. Laut Romesberg sei das semisynthetische Bakterium nur in der Lage, genetische Information mithilfe eines erweiterten Alphabets zu speichern. In Zukunft allerdings könnte dieser Ansatz zu Mikroorganismen vom Reißbrett führen, die maßgeschneiderte neue Medikamente oder Materialien herstellen. (Thomas Bergmayr, 25.1.2017)