Bregenzer Stadtspaziergänge schärfen die Sinne für den Umgang mit öffentlichem Raum.

Foto: Teresa Rädler

Bregenz – Nach sieben Jahren Projektentwicklung gaben die Betreiber Prisma und SES (Spar) das Aus für die Shoppingmall Seestadt Bregenz bekannt – der STANDARD berichtete.

Man habe nicht auf die Kritik aus Architektur und Bürgerschaft reagiert, für den Projektstopp seien rein wirtschaftliche Gründe maßgeblich, sagte Prisma-Vorstand Bernhard Ölz. Nicht wie geplant 110 Millionen, sondern über 140 Millionen Euro hätte die Über- und Unterbauung des Areals gekostet. "Nicht wirtschaftlich", befand Guntram Drexel von Spar.

Bleibt der Parkplatz?

Was soll nun aus der Brache zwischen Bahnhof- und Seestraße werden? Ölz und Drexel, ausgestattet mit gültigem Baubescheid, haben laut eigener Aussage kein alternatives Projekt und wollen das 9.000 Quadratmeter große Areal weiter als Parkplatz nutzen. Womit sie, so Insider, eine halbe Million Euro jährlich an Einnahmen lukrieren.

"Ein großes Ärgernis und der Landeshaupt- und Kulturstadt Bregenz nicht würdig", ist die Parkplatzbrache für Vizebürgermeisterin Sandra Schoch (Grüne). Die Grünen, Regierungspartner der Volkspartei in Bregenz wie im Landhaus, hatten das Projekt Einkaufszentrum mitgetragen. Nach dem Projektstopp schwenkte man auf Linie der kritischen Bürgerinitiativen. Schoch fordert nun wie die SPÖ Bregenz den Rückkauf durch die öffentliche Hand.

Wallner lässt alles offen

Ursprünglich gehörte der Grund der ÖBB und wurde nach dem Abbruch des alten Bahnhofs an Hypo, Stadt und VKW/Illwerke verkauft. "Es an einen Privaten weiterzuverkaufen, war der größte Fehler", sagt Stadtrat Michael Ritsch (SPÖ). Nun müsse das Grundstück zurück in öffentlichen Besitz, "damit man Visionen für Bregenz entwickeln kann".

Landeshauptmann Markus Wallner (VP), Finanzreferent des Landes, will sich auf einen Rückkauf "heute nicht fixieren". Er mahnt zur Besonnenheit: "Es gibt viele Projekte, die im ersten Anlauf nicht so gelingen, wie man es sich vorgenommen hat. Manchmal ist ein zweiter Anlauf, ein dritter notwendig. Nervös werden ist der falsche Ansatz."

In Sachen Seestadt sei nun Stunde Null, sagt Wallner. "Jetzt hat man die Chance eines Neubeginns." Den Kopf freizumachen für ganz neue Dinge, rät Wallner: "Die Seestadt ist ein äußerst interessantes Gebiet, das stadtplanerisch sensibel ist. Was dort geschieht, hat auch Auswirkungen auf das Land." Deshalb sei er auch "grundsätzlich gesprächsbereit".

Kein neues Landhaus

Die öffentliche Nutzung, etwa für einen Neubau der Landesbibliothek, sieht der Landeshauptmann skeptisch: "Wir haben dafür keine Investitionen eingeplant." Auch für die Idee, das Landhaus in die Seestadt zu übersiedeln, kann sich Wallner nicht begeistern: "Investitionen jenseits von 80 Millionen Euro wären dazu nötig, das haben wir schon einmal abgelehnt."

Die Stadtvertretung wird sich am 23. März auf Antrag der SPÖ mit der Seestadt und ihren bisherigen Kosten für die Steuerzahlerinnen und -zahler beschäftigen.

Weiter Stadtspaziergänge

Die Initiative "See und Stadt und Bregenz", von Architekten und Kunstschaffenden im November ins Leben gerufen, will weiter Bewusstsein für den Umgang mit öffentlichem Raum schaffen. Mit wöchentlichen Stadtspaziergängen, geführt von namhaften Architekten und Historikern, weckte sie schlummerndes Interesse der Bürgerinnen und Bürger an ihrer Stadt. Trotz winterlicher Temperaturen beteiligten sich bis zu 150 Menschen an den Spaziergängen.

Wie groß das Interesse an Stadtplanung und Stadtentwicklung ist, zeigte sich auch durch den Andrang bei der ersten Indoorveranstaltung zum Thema Stadtentwicklung. Der Vortragssaal im Vorarlberg Museum war voll, als Dokumentarfilmer und Stadtaktivist Helmut Voitl über das mittlerweile legendäre Wiener Beteiligungsprojekt Planquadrat berichtete.

Die Initiative führt ihre Informationsarbeit fort. Stadtspaziergänge finden künftig an jedem ersten Samstag im Monat statt. (Jutta Berger, 24.1.2017)