Christian Kern stelle "Inszenierung vor die Arbeit", klagt Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP).

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Wien – Der Kanzler stelle "Inszenierung vor die Arbeit", kritisierte Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) am Dienstag vor dem Ministerrat. Eine vorgezogene Neuwahl liege "ein bisschen in der Luft seitens der SPÖ". "Ich will es nicht", betonte Karmasin im selben Atemzug und unterstrich damit, dass die ÖVP mit der Regierung weitermachen wolle.

Die "Inszenierungen" des Kanzlers seien ein "möglicher Indikator dafür", dass die SPÖ Neuwahlen vorbereite. Der Jänner habe einiges gezeigt, so sei die Kanzlerrede in Wels in vielen Punkten nicht abgesprochen gewesen, auch stößt sich Karmasin an Christian Kerns Bundesländertouren und sonstigen Einzelterminen. Man könne fast den Eindruck gewinnen, dass die Bundesländertermine eine Art "Vorwahlkampf" seien, verwies Karmasin auf ihre Erfahrung als Meinungsforscherin. Es brauche mehr gemeinsame Auftritte und auch eine Regierungsklausur, forderte Karmasin.

Nach dem Grund für ihre Kritik gefragt, erklärte Karmasin lediglich, dass Termine abgesagt worden seien und etwa bei Themen wie der Indexierung der Familienbeihilfe nichts weitergehe. Weitere konkrete Projekte nannte sie auf Nachfrage nicht. Sie richte jedenfalls einen Appell an die SPÖ, dass man bis nächsten Dienstag Lösungen vorlege: "Wir sind arbeitswillig."

Kurz findet Koalitionsklima gut

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sah in der Kanzlerrede in Wels ebenfalls einen Wahlkampfauftakt. Weiter auf das Thema eingehen wollte er auf Journalistenfragen allerdings nicht, er habe momentan andere Sorgen.

Nach Karmasin betonte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka beim Eintreffen, dass man gefordert sei, möglichst viel gemeinsam umzusetzen. "Die Reden sind gehalten." Gefragt, ob auch er Anzeichen für einen vorgezogenen Urnengang sehe, meinte Lopatka: "Ich hoffe nicht, dass man jetzt an Neuwahlen denkt."

Von einem guten Koalitionsklima hingegen sprach Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) – er hoffe, dass es gelingen werde, möglichst viel gemeinsam umzusetzen. Einmal mehr drängte er diesbezüglich auf sein neues Integrationsgesetz: Es sei "höchst an der Zeit", dieses zu beschließen. Fragen, ob er Karmasins Meinung teile, dass sich der Kanzler nur mehr inszeniere, beantwortete Kurz mit Verweis darauf, dass er jetzt zur Regierungssitzung müsse, nicht.

Kern will diskutieren

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sieht im Gegensatz zu ÖVP-Regierungsmitgliedern keinerlei Anzeichen für eine bevorstehende Neuwahl. In Reaktion auf entsprechende Aussagen sagte Kern, diese Meinungen teile er deshalb nicht, da er ja ein 150-Seiten-starkes Papier mit Vorschlägen auf den Tisch gelegt habe. Diese seien nun zu diskutieren. Es gelte Lösungen zu finden und nicht Überschriften zu bringen.

Statt über Neuwahlspekulationen zu sprechen, sollte man sich auf die wirklich wichtigen Fragen konzentrieren, erklärte der Kanzler vor dem Ministerrat. Konkret nannte er die Sicherheitsdebatte. Hier dürfe man nicht nur Überschriften bringen, sondern müsse über konkrete Lösungen diskutieren. So müsse man sich etwa bei der Diskussion um die Obergrenzen die Frage stellen, warum ausgerechnet eine Halbierung die Lösung darstellen soll. Wichtig sei, darzustellen, wie man derartige Vorschläge umsetzt – es reiche nicht, "wenn man Forderungen aufstellt".

Mitterlehner will "taktisches Gehabe" weglassen

Kern zeigte sich überzeugt, dass man es "binnen Wochenfrist" schaffen werde, sich in der Koalition auf wesentliche Punkte zu verständigen. Der Plan der Regierung sieht ja vor, Ende Jänner, Anfang Februar ein "Update" des Regierungsprogramms auf den Tisch zu legen.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat am Dienstag nach dem Ministerrat in Richtung Koalitionspartner dafür plädiert, "die Inszenierungen und das taktische Gehabe" wegzulassen – man müsse "Fakten setzen". Eine bevorstehende Neuwahl sieht der ÖVP-Chef aber nicht: "Wir sind willig", sagte Mitterlehner.

Die Wähler wollten nach einem Jahr Hofburg-Wahlkampf nicht schon wieder Wahlkampf, glaubt Mitterlehner. Die Fakten würden in der Regierungsarbeit geschaffen werden. Bezüglich der Überarbeitung des Regierungsprogramms zeigte sich Mitterlehner denn auch zuversichtlich, dass man einige Punkte schaffen werde. Es gebe genügend Inhalte und Vorschläge, verwies er etwa auf die Abschaffung der kalten Progression oder das Sicherheitspaket. "Es liegt sicherlich nicht an uns", betonte er bei einem Soloauftritt vor Journalisten, wie ihn zuvor auch Kanzler Christian Kern (SPÖ) absolviert hatte. (APA, 24.1.2017)