Wien – Der Vorstoß von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka im STANDARD, dem Bundespräsidenten ein halbes Dutzend Befugnisse, darunter den Oberbefehl über das Bundesheer, zu entziehen, stößt beim Koalitionspartner SPÖ auf wenig Begeisterung. Justizsprecher Hannes Jarolim argwöhnt, dass Lopatka als deklarierter Wähler von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer "nicht verkraftet hat und frustriert ist", dass am Donnerstag Alexander Van der Bellen als Staatsoberhaupt in die Hofburg einzieht. Nur so könne er sich Lopatkas "Zuruf", der einer "Störaktion" gleichkomme, vor der Angelobung erklären.

Denn eine Reform der Rechte des Bundespräsidenten sei allenfalls im Rahmen einer Bundesstaatsreform anzugehen – und das, analog zum einstigen Konvent, nach Anhörung von Experten. Zwar hat Van der Bellen selbst schon nach seinem ersten, aufgehobenen Wahlsieg eine Beschränkung seiner Machtbefugnisse angeregt. Allerdings zielte sein Reformwille auf die folgenschweren Kompetenzen ab, den Nationalrat auflösen und die Regierung entlassen zu können – nicht zuletzt deswegen, weil sein Konkurrent Hofer, mit letzterer Befugnis bei argem Versagen der Koalition geliebäugelt hat.

Auch Van der Bellen und Fischer gefragt

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder will erst nach einem Gespräch mit Van der Bellen und dessen Vorgänger Heinz Fischer abwägen, welche Befugnisse "zu entstauben" sind, großen Änderungsbedarf bei den Kernkompetenzen des Bundespräsidenten sieht er nicht. Eine Debatte über die mögliche Auflösung des Nationsrats und die Begnadigungsrechte wären aus seiner Sicht aber möglich.

Ablehnend reagiert auch der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser auf Lopatkas Beschneidungsgelüste. Denn der schwarze Klubchef hinterfragt neben dem Oberbefehl, ob der Bundespräsident auch künftig Landeshauptleute angeloben, den Nationalrat einberufen, Gesetze beurkunden und uneheliche Kinder zu ehelichen erklären müsse. "Das sind Nebenschauplätze", befindet Steinhauser, weil dem Mann in der Hofburg hier bloß "eine staatsnotarielle Funktion" zukomme – und auch der militärische Oberbefehl käme de facto nur einer "symbolischen Kompetenz" gleich.

Wie berichtet, haben sich die Grünen unlängst dezidiert dafür ausgesprochen, dass ihrem früheren Chef das Recht der Auflösung des Parlaments ohne Begründung entzogen werden soll. Dazu treten sie für einen geänderten Modus rund um die Regierungsbestellung ein, der vorsieht, dass sich Anwärter auf ein Ministeramt zuvor einem öffentlichen Hearing im Hohen Haus stellen müssen.

Nicht an Verfassung herumdrehen

Verfassungsrechtler Theo Öhlinger rät angesichts der jüngsten Debatte davon ab, ständig an der Verfassung "herumzudrehen" – noch dazu, wo sich das Kräfteverhältnis zwischen Bundespräsident, Regierung und Nationalrat seit 1945 ohnehin bewährt habe. Auch wenn der militärische Oberbefehl etwas unklar definiert sei, müsse sich das Staatsoberhaupt in der Praxis mit dem Verteidigungsminister auf ein einvernehmliches Vorgehen verständigen.

Auch sein Kollege Heinz Mayer, der VdB unterstützt hat, zeigt auf, dass es neben dem Oberbefehl noch das Verfügungsrecht und die Befehlsgewalt über das Militär gibt, die bei Regierung bzw. dem Verteidigungsminister liegen. Hier wäre "eine klarere Regelung" möglich, so Mayer, aber mit einem bloßen "Wegstreichen des Oberbefehls" sei es nicht getan. Wie bei einer Abschaffung der Angelobung von Landeshauptleuten dränge sich dann nämlich die Frage auf: "Bei wem landet dann die Kompetenz? Irgendjemand wird es wohl machen müssen."

Auch FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch hält fest: Man müsse sich genau überlegen, wie die neuen Abgrenzungen rund um das Bundesheer festzulegen seien. Priorität müsse dabei stets die Sicherheit des Landes haben. (Nina Weißensteiner, 23.1.2017)