Hat die Ärmel aufgekrempelt und will das Missverhältnis zwischen fünf Milliarden pro Jahr für den Bahnausbau und hundert Millionen Euro für schnelles Internet austarieren: Finanzminister Hans Jörg Schelling.

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Wien – Dem Finanzminister geht der Breitbandausbau zu schmalspurig voran, vor allem finanziell. In seinem "Pakt für Österreich" kritisiert Hans Jörg Schelling (ÖVP) das Verhältnis von Investitionen in die Bahn zu jenen in Internet: Die ÖBB "sind ein gutes Beispiel dafür, wie das große Ganze aus den Augen verloren wird. Während der Staat für historische Infrastruktur wie die ÖBB gut fünf Milliarden Euro jährlich ausgibt, sind es für Zukunftsinfrastruktur wie den Breitbandausbau nur 100 Millionen Euro jährlich! Da läuft etwas schief. Unser Land ist bei der Internetversorgung unter 21 Industriestaaten das Schlusslicht", heißt es auf Seite 13 des Papiers.

Schellings Angebot an Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ): "Es können die Prioritätenreihungen zugunsten des rascheren Ausbaus eines flächendeckenden schnellen Internets hintangestellt werden. Ich brauche nicht den schönsten und teuersten Asphalt in jedem Winkel Österreichs, aber das schnellste Internet."

In Leichtfrieds für Verkehr, Innovation und Technologie zuständigem Ministerium reagiert man zugeknöpft auf die Entdeckung des Breitbands durch den Finanzminister. Man kommentiere derart unkonkrete Vorschläge nicht, sagt eine Sprecherin.

Investitionen niedrig, Versorgung nicht

Im Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo kann man Schellings Kritik nicht nachvollziehen. "Dass Österreich bei der Versorgung Schlusslicht wäre, kann ich nicht bestätigen", sagt Ökonom Klaus Friesenbichler, der im November eine Studie zum österreichischen Telekommunikationsmarkt vorgelegt hat. "Bei den Investitionen ist Österreich Schlusslicht", sagt er zum STANDARD, "aber das liegt nicht an zu geringer Ausstattung der Breitbandförderung. Es wurde zu spät begonnen." Letzteres auch deshalb, weil die Breitbandmilliarde von Vorgänger Michael Spindelegger (ÖVP) lang blockiert wurde – DER STANDARD berichtete.

Grafik: DER STANDARD

Nun ist die Hälfte der Breitbandmilliarde, wie berichtet, auf Schiene, die Fördervergaben laufen. Wie mit der zweiten Hälfte verfahren wird, ist offen. Bis Jahresmitte werden Wirksamkeit und Effizienzfragen von Telekommunikationsökonomen evaluiert.

Nicht "hemdsärmelig" verteilen

So ein Prozess dauere seine Zeit, sagt Friesenbichler, schließlich müssen Förderungen von der EU notifiziert werden, zumal Investitionen in Telekomnetze seit der Liberalisierung des Telekommarktes nicht mehr Aufgabe des Staates sind. "Aber es geht jetzt nicht darum, Firmen und Regionen hemdsärmelig mit Geld zu versorgen", mahnt der Ökonom. "Öffentliche Mittel verschleudern wäre eine ganz schlechte Idee."

Das will auch das Finanzministerium nicht. Aber: Umschichtungen anstoßen, "Spending Reviews" machen, also "Ausgabenanalysen, ob jedes Ressort in jedem seiner Bereiche das Steuergeld so einsetzt, dass es maximalen Nutzen bringt", wie die Sprecherin des Finanzressorts, Michaela Berger, betont. Konkrete Vorschläge habe man, tausche diese aber nicht über die Medien aus. Alternativ könnte im Bundesfinanzrahmen jedes Ministerium bis 2020 fünf Prozent einsparen. Ein Drittel dieser Einsparung sollte in Bildung oder Breitband, jedenfalls in Zukunftsinvestitionen investiert werden, so Schellings Plan.

Eine Nachbesserung der Breitbandmilliarde hält Wifo-Ökonom Friesenbichler erst dann für sinnvoll, wenn der Markt nicht zur Erfüllung der wirtschaftspolitischen Ziele führe. Als eine Ursache sieht er Raumplanung und Zersiedelung, sie führe zu Unterversorgung, die sich allerdings auch mit Förderung nicht einfach beheben ließen. "Sonst entstehen Monopolverluste und die Bevölkerung hat wieder nichts davon." (Luise Ungerboeck, 24.1.2017)