Die Infektionskrankheit Tuberkulose (TB) ist auch in Europa längst nicht ausgerottet.

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Die Tuberkulose bleibt weltweit eine Gefahr, weil ihre Verbreitung durch Kriege, Armut und Migration begünstigt wird. Zusätzlich gibt es in immer mehr Ländern eine Besorgnis erregende Rate an resistenten Erregern. Wissenschafter der Uni Genf haben nun entdeckt, wie sich das Bakterium in infizierten Zellen ernährt. Mit diesem Wissen wollen sie Ansätze entwickeln, um den Erreger auszuhungern.

Befällt das Tuberkulose-Bakterium menschliche Immunzellen (Makrophagen), programmiert es sie so um, dass es sich von ihren Fetten ernähren kann. So kann es während einer langen Latenzzeit "schlummern" und auf eine Schwäche des Immunsystems warten, um die gefährliche Lungenkrankheit auszulösen. Rund 30 Prozent der Weltbevölkerung sind von einer solchen latenten Infektion betroffen, heißt es von der Universität Genf.

Wie dieses Umprogrammieren der Immunzellen zu Nahrungslieferanten genau funktioniert, haben Wissenschafter um Thierry Soldati von der Uni Genf mithilfe eines Schleimpilzes aufgeklärt. Von den Ergebnissen berichten sie nun im Fachblatt "PLOS Pathogens".

Zelle reprogrammiert

Der Schleimpilz – eine soziale Amöbenart der Gattung Dictyostelium – diente den Forschern als Modell stellvertretend für die Immunzellen. Diese Amöben infizierten sie mit dem Erreger der Fisch-Tuberkulose, der sich genauso verhält wie Mycobacterium tuberculosis, das Menschen infiziert. So seien Experimente möglich gewesen, die man am Menschen nicht hätte durchführen können, betont Studienautorin Caroline Barisch.

"Wir haben entdeckt, dass das Mycobacterium die infizierte Zelle reprogrammiert, so dass sie alle Fettreserven der Amöbe umlenkt und anzieht", erklärte Thierry. Betroffen seien nicht nur Fetttröpfchen in der Zelle – die bevorzugte Nahrungsquelle des Erregers: Unterdrückten die Wissenschafter die Produktion dieser Tröpfchen, schwenkte das Bakterium als "Plan B" auf die Lipide aus den Zellmembranen um.

Das deute darauf hin, dass der Erreger auf die Lipidnahrung zum Überleben angewiesen sei, schrieb die Uni Genf. "Wir wissen jetzt, dass das Bakterium extrem abhängig ist von dieser fettreichen Nahrung", sagte Barisch. Das Ziel sei nun, Wege zu finden, den Erreger auch in den menschlichen Immunzellen auszuhungern, indem man seine Versorgung mit Lipiden unterbinde. Neue Therapieansätze gegen Antibiotika-resistente Tuberkulose-Erreger könnten also darauf aufbauen, diejenigen Enzyme zu blockieren, die das Bakterium für die Fettaufnahme benötige.

Neue Behandlungsstrategie

Gleichzeitig beschäftigt sich auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit der Behandlung von Tuberkulose. Sie hat eine klinische Studie mit einer neuen Strategie zur Behandlung von multiresistenter und extrem resistenter Tuberkulose gestartet. Die wissenschaftliche Untersuchung ist kürzlich in Usbekistan angelaufen. Die zentralasiatischen Länder sind stark von resistenter Tuberkulose betroffen.

Die Studie der Phase II/III (Identifizierung der am besten geeigneten Kombination und weiters Untersuchung der Wirksamkeit; "TB PRACTECAL") zielt darauf ab, ein Behandlungsregime für resistente Tuberkulose zu finden, das mit sechs Monaten deutlich kürzer und effektiver ist und weniger gravierende Nebenwirkungen hat als aktuelle Behandlungen, teilte die Organisation nun mit. Die Untersuchung wird von der Organisation durchgeführt und finanziert. Unterstützt wird sie von der London School of Hygiene & Tropical Medicine sowie anderen führenden medizinischen Forschungseinrichtungen.

In der Untersuchung gibt es vier Gruppen: Eine Gruppe von Patienten mit multiresistenter oder extrem resistenter Tuberkulose wird nach den bisher anerkannten Leitlinien (WHO) behandelt. Drei weitere Gruppen erhalten die Substanzen Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid allein oder in Kombination mit den Antibiotika Moxifloxacin oder Clofazimin. Diese Medikamente gibt es in Tablettenform.

Extreme Nebenwirkungen

Patienten mit multiresistenter Tuberkulose müssen derzeit über einen Zeitraum von fast zwei Jahren mehr als 10.000 Tabletten schlucken und über mindestens acht Monate täglich Arzneimittel injiziert bekommen. Die Nebenwirkungen der Medikamente können extreme Ausmaße annehmen und umfassen Übelkeit, Gelenkschmerzen, Psychosen und permanenten Gehörverlust, teilte MSF mit. Alles, was die Therapie leichter und kürzer macht, bringt höhere Erfolgsquoten. Bedaquilin ist einer der zwei einzigen neuen Wirkstoffe gegen Tuberkulose, die seit fast 50 Jahren entwickelt wurden.

Der ersten Proband der TB-PRACTECAL-Studie ist ein Patient aus einem von "Ärzte ohne Grenzen" unterstützten Krankenhaus in Karakalpakstan im Nordwesten Usbekistans. 630 weitere Patienten in Usbekistan, Weißrussland und Südafrika sollen an der Studie teilnehmen.

Die Studie verläuft in zwei Schritten. Der erste Schritt ist eine Phase-II-Studie und wird im Jahr 2018 abgeschlossen. Getestet werden drei Regime mit den neuen Medikamenten Bedaquilin und Pretomanid. In der darauffolgenden Phase-III-Studie werden die beiden erfolgreichsten Regime weiterhin getestet. Dieser Schritt soll im Jahr 2020 beendet werden. Bern-Thomas Nyang'wa, MSF-Tuberkulose-Spezialist, wurde dazu unter anderem so zitiert: "Trotz aggressiver medikamentöser Behandlung wird nur die Hälfte der Menschen mit resistenter Tuberkulose geheilt. Die aktuellen Behandlungsregime gegen Tuberkulose sind einfach unzureichend. Dies ist ein bedeutender Meilenstein in einem wichtigen Forschungsprojekt, das Hunderttausende Leben retten könnte. Die Ergebnisse können nicht früh genug kommen."

Fälle in Österreich rückläufig

In Österreich wurden 2015 etwas unter 600 Tuberkulose-Erkrankungen diagnostiziert. Die Zahlen sind über viele Jahre hinweg ständig zurückgegangen. Obwohl es jährlich nur wenige Fälle sind, hat sich auch bei multiresistenten und gegen die medikamentöse Behandlung extrem resistenten Tuberkulose-Fällen ein Rückgang abgezeichnet. 2011 wurden 27 registriert, 2015 waren es zwölf. Da fiel nur eine Erkrankung unter die Kategorie der extrem resistenten Tuberkulose, 2011 waren es sieben. (APA, 23.1.2017)