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1650 Aussteller aus 66 Ländern buhlen bei der Landwirte-Messe Grüne Woche in Berlin um die Gunst der voraussichtlich 400.000 Besucher. Neben der Schweiz zeigt auch Österreich Flagge.

DPA

Berlin – Die Zahl, die symbolisch für die derzeit tagende Grüne Messe in Berlin steht, lautet 128. So viele "Produktköniginnen" gibt es laut Messeleitung und zur Ausgewogenheit auch einen "Bierprinzen". Gefühlt sind es aber viel mehr. Junge Menschen, die in Landestrachten prächtig gekleidet und lächelnd durch die Hallengänge schreiten und Schnäpse, Stückchen exotischer Früchte oder aufgespießte Käsewürfel präsentieren.

Immer wieder war das industrielle Bild kritisiert worden, das bei dieser weltgrößten Agrarmesse von der Branche gezeichnet wird. Immer gab es Demonstrationen, so auch heuer. Diese stehen etwa unter dem Motto "Wir haben es satt" und zielen auf die Industrie ab, die die Landwirtschaft ohne Frage geworden ist.

Dass Ernährung ein Business ist, lässt sich nicht wegleugnen. Steigende Weltbevölkerung, Klimawandel, die Notwendigkeit einer nachhaltigen Energieversorgung samt Schonung von Umwelt und Ressourcen – da kommt der Landwirtschaft eine tragende Rolle zu.

Fress-und-Sauf-Veranstaltung

Solche Fragen aber werden mehr denn je ausgeklammert. Diese Messe ist eine riesige Fress-und-Sauf-Veranstaltung, bei der sich der Berliner multikulti gibt, indem er kambodschanische Cashew-Nüsse kauft. Und beim Österreich-Teil pflegt er nachbarschaftliche Beziehungen, indem er Speckjause und Schnaps in einem Ambiente konsumiert, das ihn wohl an den letzten Skiaufenthalt erinnert.

Monetär mag dies erfolgreich sein. Doch die Präsentation der Branche gerät heuer so supersauber, dass man sich an herzige Zeichnungen in Kinderbüchern erinnert, bei denen es um das Thema "Der Bauer und das Land" geht. In der Halle für die Nutztiere – immerhin werden 53 Rinder und 19 Schweine ausgestellt – riecht es fast gar nicht. Der Star der Halle, Zuchtbulle Ex Machina, ist ein Koloss mit anderthalb Tonnen Gewicht. Mit glänzendem Fell steht er auf makellos sauberem Stroh.

Ein paar Meter weiter wird für eine Betäubungsanlage für die Ferkelkastration geworben, denn die schmerzhafte Kastration der männlichen Ferkel ist weit verbreitet. Um zu demonstrieren, wie das geht, sind Plüschschweinderln in die Anlage eingespannt.

Millionen Vegetarier

"Tierwohl" heißt ein neues deutsches Gütesiegel, das zwar nicht so viele Konsumenten wie "Bio" oder "Öko" ansprechen dürfte, aber zu einem wichtigen Teil im Verkaufs- und Vermarktungsargumentarium werden könnte. Nicht nur weil sich immer mehr Menschen vegetarisch ernähren – allein in Deutschland gibt es an die sieben Millionen Vegetarier. Auch weil eine Massentierhaltung an Grenzen stößt: ökologische, etwa in Hinblick auf das Grundwasser oder in puncto Geruchsbelästigung. Die Akzeptanz der Anrainer ist da schnell verpufft.

In Deutschland gibt es deshalb eine neue Initiative, bei der es mehr Platz im Stall oder für die Tiere gar artgerechtes Beschäftigungsmaterial (Beißbälle für Schweine, Massagebürsten für Kühe) geben soll. Für Österreich sei das nicht notwendig, heißt es vonseiten der Bauernkammer. In Österreich hat man von vornherein höhere Standards und vor allem viel kleinere Nutztiereinheiten als in vielen anderen EU-Staaten. Doch hat der Diskonter Hofer eine ähnliche Kampagne kürzlich gestartet. Laut Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) haben die Niederlande Probleme mit der Massentierhaltung. Um 200.000 Stück Milchkühe muss der Bestand reduziert werden, damit die Phosphorrückstände im Grundwasser zurückgehen. (Johanna Ruzicka, 22.01.2017)