Wien – Die Causa "Schwarze Kassen" rund um die Siemens AG Österreich, die ab Frühsommer am Wiener Straflandesgericht verhandelt werden soll, verspricht spannend zu werden. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat, wie berichtet, mehr als sieben Jahre lang ermittelt. Ende des Vorjahres war die Anklageschrift fertig, nun ist sie rechtskräftig.

Angeklagt wegen Untreue sind die zwei Ex-Siemens-Manager H. W. und H. G., die in der Mobiltelefoniesparte tätig waren und von 2001 bis 2006 rund 17,24 Millionen Euro aus dem Unternehmen in schwarze Kassen "ausgeleitet" haben sollen. Wie aus der Causa Telekom bekannt, sei das über Scheinverträge und Bezahlung von Scheinrechnungen für Berater gelaufen, Leistung gab es laut WKStA keine. Folgt man der Anklagebehörde, war das System extrem ausgeklügelt, aufwendig und kompliziert. Die Ermittler verfolgten die Geldflüsse für rund 200 Rechnungen, und die mäanderten kreuz und quer über Kontinente, von einem Briefkasten zum nächsten. Zwei Dutzend Scheinfirmen seien eingebunden gewesen, in Bosnien, der Schweiz, in Liechtenstein, auf Zypern, in Panama, Belize, Asien.

"Verschleiert"

Auf diese Weise sei die Herkunft des Geldes "immer weiter verschleiert" worden, schreibt die WKStA. Das Besondere an der Sache: "Letztlich wurde das Geld von Personen behoben, deren Identität weder Siemens noch den Angeklagten bekannt zu sein schienen." Denn: Anders als bei gängigen schwarzen Kassen (die werden befüllt, damit man bei Bedarf über diskretes Geld verfügen kann), erfolgte "in diesem Fall ein Vermögensaufbau, der der Einflussmöglichkeit durch die Angeklagten und Siemens entzogen war" (WKStA).

Fazit: Wegen der vielen Barabhebungen weiß die Justiz "trotz enormen Ermittlungsaufwands" nicht, wo der Großteil des Geldes geblieben ist. Die Angeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, bestreiten das alles. W. sagte aus, man habe für echte Verträge bezahlt, die Berater seien für die Geschäfte von Siemens in den südosteuropäischen Märkten notwendig gewesen. Siemens Österreich hat die Vorgänge übrigens nach Aufkommen der Schwarzen-Kassen-Causa in Deutschland, 2006, intern untersucht. Und Siemens hat sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen.

Stichwort Deutschland: Manche der von Österreich aus organisierten Briefkästen wurden laut Anklage auch von Mitarbeitern von Siemens Deutschland benutzt. Das lag wohl daran, dass es in Wien laut WKStA-Recherchen einen Komplizen gab, der federführend fürs Organisatorische zuständig und auch mit Siemens Deutschland im Geschäft war: R. K., Manager der Wiener Werbeagentur von Siemens und W.s Studienfreund. Er war wirtschaftlicher Berechtigter etlicher Scheinfirmen – und soll sich mit 3,3 Mio. Euro bereichert haben. W. wirft die WKStA vor, 2,9 Millionen in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Die zusammen sechs Millionen wurden sichergestellt und sollen abgeschöpft werden.

Sechs Millionen blieben übrig

Tatsächlich gab W. zu, einer der Briefkästen sei ihm zuzurechnen. Wie er die Herkunft der 2,9 Millionen ebendort erklärt? Den Großteil habe er von seinem Vater geerbt, allerdings habe man das Geld erst bei russischen Schuldnern eintreiben müssen, der ehemalige serbische (später ermordete) Premier Zoran Dindic sei ihm "behilflich" gewesen. Die WKStA glaubt das nicht und will das Geld abschöpfen.

K. wiederum soll einen Teil seines Lebens aus einer seiner Stiftungen finanziert haben: 100.000 Euro für ein Investment, 300.000 für ein Darlehen an einen Freund, Geld für eine Büffeljagd in Tansania. Begünstigte der Stiftung war für den Fall seines Ablebens K.s Frau, die damals aber nicht erfahren sollte, wie K. seinen Liechtensteiner Banker instruierte. Der erstattete allerdings Geldwäscheverdachtsmeldung, als Medien über K.s Verwicklung in die Causa Mensdorff-Pouilly/BAE berichteten.

K. ist im Oktober 2008 bei einem "Jagdunfall ohne Fremdeinwirkung" gestorben (Anklage). Er stürzte von der Leiter eines Hochstands, dabei löste sich ein Schuss. (Renate Graber, 21.1.2017)