Michael Häupl hat gekreißt, und ein Mäuslein ward geboren. Im Grunde ist nicht viel mehr passiert als die Neubesetzung eines Stadtratsposten, der deshalb vakant wurde, weil Amtsinhaberin Sonja Wehsely sich selbst aus dem Spiel genommen hat. Renate Brauner, seit Jahren beliebte Hassprojektionsfläche aller Faymann-Getreuen und des Zeitungsboulevards, bleibt, wo sie ist. Detto Michael Ludwig, die personifizierte Speerspitze all jener, die Häupl und sein rot-grünes "Boboteam" lieber heute als morgen in die politische Wüste schicken möchten. Sandra Frauenberger tauscht nur das Büro.

Der Wiener Bürgermeister und SP-Chef selbst hatte die Personalspekulationen mit seinen kryptischen Andeutungen schon vor dem Jahreswechsel angeheizt. Er stand unter Zugzwang, die Attacken des "rechten" Parteilagers gegen die vermeintlich "Linken" in der Stadtregierung waren voll aufgeflammt. Häupl signalisierte vor Weihnachten klar, er werde eine Lösung finden, welche die Partei weiterbringen werde. Das Gegenteil ist nun der Fall.

Wohnbaustadtrat Ludwig und jene, die hinter ihm stehen, sind gestärkt. Jürgen Czernohorszky, der Neue im Stadtregierungsteam, ist ein vielversprechendes politisches Talent. Doch die Aufgaben, die in Integrations- und Bildungsfragen auf ihn warten, sind riesengroß. Da gibt es angesichts angespannter Budgets wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Im Stadtschulrat folgt Czernohorszky wohl mit Bedacht ein Simmeringer Gewerkschafter nach – auch wenn dieser in bildungspolitischen Kreisen einen guten Ruf genießt. Heinrich Himmer hat Häupl einst für dessen Lehrerkritik scharf zurechtgewiesen. So etwas kommt in den Flächenbezirken immer gut an. Michael Ludwigs Auftritt vor dem Parteivorstand sah auch nicht danach aus, dass nun Friede, Freude und Harmonie in die Wiener SPÖ einkehren. Häupl müsse selbst wissen, was er in Zukunft tue, sagte Ludwig in die Mikrofone. Loyalitätsbekundungen sehen anders aus.

Man kann dem Wiener Bürgermeister nicht vorwerfen, dass er diesmal nichts probiert hätte. Tatsächlich versuchte Häupl, an größeren Personalschrauben zu drehen. Das Problem war nur: Er erhielt eine Abfuhr nach der anderen – von Getreuen, die sich nicht abmontieren lassen wollten, genauso wie von Hoffnungsträgern, die sich einen Wechsel in die Wiener Stadtregierung schlicht nicht "antun" wollten. Das sagt einiges aus über die schwindende Strahlkraft des einst so mächtigen Mannes.

Michael Häupl hat zu lange gewartet. Er hätte schon vor einem Jahr, aber spätestens nach dem Wechsel von Werner Faymann zu Christian Kern an der Bundesspitze der SPÖ, klarmachen müssen, wohin die Reise geht: Annäherung an die FPÖ oder ganz das Gegenteil? Beharren auf die alten roten Tugenden oder Veränderung und Öffnung Richtung 21. Jahrhundert? Diese Fragen sind die Wurzeln des Wiener Lagerkampfs. Häupl hat sie bis dato nicht beantwortet. Gut möglich, dass das nun andere an seiner Stelle tun.

(Petra Stuiber, 20.1.2017)