Die Protagonisten von Theresia Walsers "Eine Stille für Frau Schirakesch" kommen in einer Talkshow zusammen, um per TV einer Steinigung beizuwohnen.

Foto: Bettina Frenzel

Wien – Das Hinter-den-Kulissen hat es der deutschen Dramatikerin Theresia Walser angetan: der Mensch, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Ob in Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel, wo sie drei Diktatorinnengattinnen hinter dem roten Vorhang einer Art Pressekonferenz losplaudern lässt, oder in Herrinnen, wo das Publikum einer Theaterprobe beiwohnt.

Aber wie sich zu etwas verhalten, wenn man dabei im Fernsehen ist? Vor diesem Problem steht zurzeit in Eine Stille für Frau Schirakesch eine Handvoll Menschen im Kosmostheater. Sie sind in das geschmacklos lichtgrüne Ambiente einer Talkshow (Bühne: Claudia Vallant) geladen, um televisionär einer zeitgleich am anderen, arabischen Ende der Welt stattfindenden Steinigung beizusein. Denn "hinschauen" müsse man, sind sie sich einig, was aber nicht "zuschauen" bedeute.

Burkaüberwurf im Eck

77 Minuten hat das Grüppchen noch, als das Stück startet, um sich auf die Live-Betroffenheit vorzubereiten. Etwas unglaubwürdig hockt es da schon auf den ihm zugedachten Plätzen auf den Couches ("zum Sofa verurteilt").

Ambivalent legt Walser ihre Figuren in diesem Zustand vor dem Scheinwerferlicht dar. Unter ihnen ein General, der in der Gegend ein "Scheißhaus" gebaut hat und dies als Heldentat gefeiert wissen will. Dass er zugleich Kinder getötet hat, schiebt er aus seiner Verantwortung ab und der "Wirklichkeit" in die Schuhe. Dazu eine vom Einsatz "kriegsvernarbte" Soldatin, die vom Vater nun vermarktet wird. Immer nur will sie die eine Geschichte ihrer Traumatisierung erzählen – die Gesteinigte interessiert sie nicht.

Sogar zwei Schönheitsköniginnen kennen den Kriegsschauplatz Tschundakar: Bei einer Bikiniparade sind sie selbst dort erst kürzlich den repressiven landestypischen Gepflogenheiten zum Opfer gefallen. Das schärft natürlich die Empathie. "Heben Sie sich das für die Sendung auf!", gemahnt die Moderatorin Redeflüsse in Bahnen und aus der Ecke mahnt eine Schaufensterpuppe mit Burkaüberwurf. Man wähnt sich mehr in Arabella denn in Anne Will.

Schlagwortsalven

Und doch – trotz grotesker Anlage und dementsprechend bis ans Lächerliche getriebener Inszenierung – hört man aus den Sätzen wie Schlagwortsalven den Ernst des Walser'schen Anliegens: Misstöne als Kritik an gängigen Inszenierungen, Diskursen. So prall, dass eineinhalb Stunden Aufführung gerade reichen, um klarzumachen: eindeutig und einfach ist, begonnen bei der Bedeutung des Wortes "Krieg", nichts. Die Darstellungen unter der Leitung von Dora Schneider blieben bei der Premiere oft etwas künstlich. Mitgenommener Applaus. (Michael Wurmitzer, 21.1.2017)