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Geplant ist ein staatlich kontrollierter Anbau durch eine Cannabisagentur. Bis das gewährleistet ist, soll die Versorgung mit Medizinalhanf durch Importe gewährleistet werden.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Berlin – Schwerkranke Menschen können in Deutschland künftig auf Kassenkosten Cannabis als Medizin erhalten, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag einstimmig eine entsprechende Gesetzesnovelle. Der Eigenanbau von Cannabis bleibt in Deutschland aber verboten.

Mit der Neuregelung, die im März in Kraft tritt, wird es schwer erkrankten Patienten unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zu erhalten. In Ausnahmefällen sollen Patienten auch Anspruch auf im Ausland zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon erhalten.

In Österreich nicht freigegeben

In Österreich sind Cannabisprodukte wie Marihuana nicht für die medizinische Behandlung freigegeben. Es gibt ausschließlich zugelassene Medikamente mit den Inhaltsstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder Cannabidiol (CBD).

Abgeordnete aller Fraktionen im deutschen Bundestag lobten die neue Gesetzesregelung einhellig als großen Schritt in der Versorgung schwerkranker Menschen. Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe sagte, nach mehr als einem Jahrzehnt der Auseinandersetzungen über Cannabis als Medizin gehe für viele Patienten ein "Leidensweg" zu Ende.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hob vor allem die Verbesserung für Menschen in der Palliativversorgung hervor. Mit dem Gesetz wurde geregelt, dass ein Antrag auf Cannabis zu medizinischen Zwecken im Palliativbereich binnen drei Tagen genehmigt werden muss. Der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) sprach von einer "sinnvollen" Regelung, die einer Reihe von Patienten Erleichterung verschaffen könne.

"Staatlich kontrollierter Anbau"

Geplant ist ein staatlich kontrollierter Anbau in Deutschland, eine Cannabisagentur wird Lizenzen auch an Privatunternehmen vergeben und die Lizenznehmer laufend auf Einhaltung der Gesetze prüfen. Bis das gewährleistet ist, soll die Versorgung mit Medizinalhanf durch Importe gewährleistet werden. Das Rohmaterial dafür wird unter anderem aus Österreich bezogen, wo die Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) die Stauden anbaut. Die Ages hält in Österreich ein Monopol auf die Produktion von Hanf für Arzneizwecke, das der Verfassungsgerichtshof im Dezember nach Individualantrag des Wiener Unternehmers Alexander Kristen bestätigte.

Zum aktuellen Bundestagsbeschluss sagt Kristen: "Der deutsche Gesetzgeber hat sich für ein sauberes Gesetz und für eine Regelung entschieden, die sich anders als in Österreich sowohl an den Bedürfnissen der Patienten als auch der Unternehmer orientiert." Dass eine staatliche Kontrolle unabdingbar sei, werde niemand bestreiten, so Kristen, diese funktioniere aber auch bei privatwirtschaftlichem Anbau hervorragend, wie die Niederlande seit Jahren zeigten. "Der österreichische Gesetzgeber hat sich hingegen für ein Monopol entschieden, das die Entwicklung im Bereich Medizinalhanf massiv blockiert, die Forschung verhindert und Schmerzpatienten im Regen stehen lässt." Kristen wünscht sich, dass Österreich in dieser Sache dem deutschen Vorbild folgt.

Weiterhin kein Eigenanbau

Selbst anbauen dürfen Patienten Cannabis in Deutschland weiterhin nicht. Der Gesetzgeber begründet dies mit der "Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten". Eine Begleitstudie soll weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis gewinnen. Dazu übermitteln die Ärzte künftig Daten etwa zu Diagnose, Therapie, Dosis und Nebenwirkungen anonymisiert an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Cannabis wird in der Medizin bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt, zum Beispiel gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs- und Aids-Patienten, bei Rheuma sowie bei spastischen Schmerzen bei multipler Sklerose. Einigen Substanzen wird eine krampflösende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben. (APA, red, 19.1.2017)