Nimm zwei: Vier Grüne stellten sich der Urwahl. Robert Habeck (li.) und Anton Hofreiter (re.) schafften es nicht, nun sind Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

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Zur Ruhe gekommen ist Michael Kellner, der Wahlkampfmanager der deutschen Grünen, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch nicht. Er und seine Mitarbeiter zählten die letzten der rund 34.000 Stimmen der Basis aus und erlebten dabei eine Überraschung. "Seitdem meine Kinder durchschlafen, habe ich keine so aufreibende Nacht mehr erlebt", scherzte Kellner am Mittwoch bei der Bekanntgabe des Ergebnisses.

Zwar machten – wie erwartet – Parteichef Cem Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt das Rennen und werden nun als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf ziehen. Göring-Eckardt war als einzige Frau im Bewerbungsquartett ohnehin fix gesetzt, da die Grünen Spitzenpositionen immer mit einem Mann und einer Frau besetzen. Sie bekam 23.967 Stimmen.

Doch Özdemir erreichte den Platz neben ihr nur knapp. Er erhielt 12.204 Stimmen, das sind nur 75 mehr als jene 12.129 Stimmen, die an den Umweltminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, gingen. Offenbar gab es auch einen starken Wunsch nach einem "frischen" Gesicht in der Bundespolitik. Für den Vierten im Bunde, Göring-Eckardts Co-Fraktionschef Anton Hofreiter, votierten 8886 Grüne an der Basis.

Özdemir, der die Partei seit 2008 führt und sich selbst als "anatolischer Schwabe" bezeichnet, zeigte sich erleichtert, dass er es doch geschafft hatte, und erklärte: "Mir bedeutet es sehr viel. Es ist mir nicht in die Wiege gelegt worden." Göring-Eckardt war schon vor vier Jahren Spitzenkandidatin, damals mit Jürgen Trittin.

Zweistelliges Ergebnis

2013 erreichten die Grünen bei der Bundestagswahl allerdings nur 8,4 Prozent, nachdem sie sich für eine höhere Besteuerung des Mittelstandes ausgesprochen hatten. Diesmal, am 24. September, wollen sie ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Sowohl Özdemir als auch Göring-Eckardt betonten, sie repräsentierten natürlich die gesamte Partei.

Die beiden sind ausgewiesene Realos. Auch Habeck gilt als Vertreter des Realo-Flügels, Hofreiter war in dem Quartett der Einzige, der "Fundi" nicht als Schimpfwort sieht. Entsprechend unterschiedlich sind auch Koalitionspräferenzen. Hofreiter tendiert zu Rot-Rot-Grün, Göring-Eckardt und Özdemir machen kein Hehl daraus, dass sie sich Schwarz-Grün vorstellen können – wenngleich vor allem zwischen der CSU und den Grünen einige Gräben liegen.

Probleme mit Sicherheit

Ungeachtet aller Flügelkämpfe kommt auf das neue Spitzenduo im Wahlkampf eine heikle Aufgabe zu. Als sich die Grünen 1980 gründeten, traten sie auch mit dem Anspruch an, die Bürger vor der Polizei zu schützen. Noch heute sehen Teile der Grünen die Partei in diesem Verständnis.

Doch wie sehr sich der Wind gedreht hat, musste gerade Özdemirs Co-Parteichefin Simone Peter erfahren. Sie hatte der Kölner Polizei nach Silvester "Rassismus" vorgeworfen, weil diese in einem Tweet "nordafrikanische Intensivtäter" als "Nafri" bezeichnete. Daraufhin ergoss sich ein Shitstorm über Peter.

Spitzengrüne betonen neuerdings, wie wichtig auch ihnen das Thema Sicherheit ist. Aber ihnen wird – anders als CDU oder CSU – bei diesem Thema kaum Kompetenz beigemessen. Einig sind sie sich, dass es mehr Polizeistellen geben soll und dass die Polizei bessere Ausstattung braucht. Streit gibt es aber bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist dafür und verweist auf die "kriminelle Energie" von jungen Männern aus Marokko, Tunesien oder Algerien. Viele Grüne widersprechen. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.1.2017)