Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl hat in seiner Partei mit dem hohen Alter der Mitglieder zu kämpfen.

Foto: Heribert Corn

Wien – Steigt man in Wien morgens in die Straßenbahn, sitzt man – so zumindest die Statistik – mit mindestens einem SPÖ-Mitglied im Wagon. In der Hauptstadt ist eine von 40 Personen Teil der Sozialdemokratie, 45.000 Mitglieder zählt die stärkste Partei Wiens derzeit.

Gemessen an der Mitgliederzahl ist die Wiener SPÖ sogar unter den größten Stadtparteien Europas. Und die Bilanz ist "leicht positiv", wie es aus der Löwelstraße heißt. Sind 2015 noch 4.778 Personen ein- und 4.765 ausgetreten, waren es im Jahr 2016 nur 1.610 Ein- und 1.586 Austritte.

Hohes Alter

Allerdings schließen die Zahlen nur diejenigen ein, die aus freier Entscheidung austreten, nicht die, die versterben. Diese dürften, ob des hohen Altersschnitts von 61,6 Jahren, aber kein unwesentlicher Faktor sein. In Hietzing, Döbling und Liesing sind die Mitglieder durchschnittlich sogar 65 Jahre. Das älteste Mitglied bei den Wienern ist 105 Jahre alt, und auch der jüngste Bezirk, der Alsergrund, ist mit 56 Jahren nicht gerade jugendlich. "Parteimitgliedschaften sind in den letzten Jahren aus der Mode gekommen", sagt SPÖ-Wien-Managerin Sybille Straubinger zum STANDARD: "Parteien müssen auf diese Entwicklung eingehen, indem sie Menschen ohne Mitgliedschaft politische Aktivitätsmöglichkeiten anbieten. Wer in der SPÖ Wien politisch aktiv sein möchte, muss nicht Mitglied sein."

Durchschnittlich bleibt ein Mitglied 33,6 Jahre bei der Partei. Die längste Mitgliedsdauer, die die Sozialdemokraten verbuchen, dauerte 91 Jahre. "Die Mitglieder sind das unflexibelste und am wenigsten zukunftsweisende Element der Partei", sagt Politologe Anton Pelinka. "Wer tritt heute der SPÖ noch bei? Sehr wenige. Diejenigen, die noch Mitglieder sind, haben es verabsäumt, rechtzeitig auszutreten." Die Wiener SPÖ sei, sagt Pelinka zum STANDARD, noch immer "überproportional groß": "Wähler und Mitglieder sind aber zwei verschiedene Dinge." Und Erstere verliert die SPÖ Wien.

Wahl-Schlappen

Zwar landete die Partei bei der Gemeinderatswahl 2015 mit 39,6 Prozent auf Platz eins, musste aber ein Minus von 4,8 Prozentpunkten einstecken und verlor damit fünf Gemeinderäte. Nur die ÖVP musste sich von mehr Sitzen verabschieden. Sie verlor ebenfalls 4,8 Prozent, aber sechs Mandatare und steht bei 9,2 Prozent. Von 100 Plätzen werden nur noch 44 von den Roten besetzt, 2005 konnten sie in Wien mit 55 Gemeinderäten noch alleine regieren.

Auch in den Bezirken muss die SPÖ Verluste einstecken. Sie verlor 2015 den Bezirksvorsteher in Simmering an die FPÖ und bei der Wahlwiederholung 2016 in der Leopoldstadt voerloren sie den Bezirk an die Grünen,. "Es müsste klarer sein, welche Wählerschichten die SPÖ Wien anspricht", sagt Pelinka. Denn die FPÖ gräbt ihr die Wähler ab und verzeichnete ein Plus von fünf Prozentpunkten und sieben Gemeinderäten.

Wichtig für den Bund

Für den Bund sind die Wiener Genossen trotzdem wichtig: Ein Fünftel der SPÖ-Stimmen kam bei der Nationalratswahl 2013 von ihnen. Prozentuell konnte damals nur das Burgenland mit 37,3 zu 31,6 Prozent ein besseres Ergebnis für die Bundespartei einfahren. (Oona Kroisleitner, 19.1.2017)