Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (l.) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow.

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Es wirkte fast wie bestellt, als eine Journalistin der russischen Nachrichtenagentur TASS am Mittwoch Sergej Lawrow erneut auf die Vorwürfe ansprach, Moskau habe mit Hackerangriffen den US-Wahlkampf beeinflusst. Der Außenminister holte zu einem Rundumschlag aus. "Das sind unbegründete Verleumdungen, die uns zynischerweise jene vorwerfen, die selbst intensiv in den Wahlkampf eingegriffen haben."

In Gegenwart seines Amtskollegen Sebastian Kurz, der als aktueller Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der russischen Hauptstadt weilte, geriet der Chefdiplomat von Präsident Wladimir Putin so richtig in Wallung. Es seien doch vielmehr Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder Frankreichs Präsident Francois Holland gewesen, die sich offen gegen Trump positioniert hätten. Der neue US-Präsident sei geradezu dämonisiert worden, unter anderem als "Hassprediger" bezeichnet worden.

"Mischen uns nicht ein"

Russland aber sei stets korrekt geblieben. "Wir mischen uns nicht ein", ereiferte sich der 66-jährige Politiker, der seit über zehn Jahren die außenpolitischen Positionen Russlands an vorderster Front vertritt. Die Ausfälle der Entourage des scheidenden US-Präsidenten Barak Obama gegen den Republikaner Trump, der am Freitag in Washington als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt werden wird, "nehmen sich da sehr heuchlerisch aus", konstatierte Lawrow.

So sei Trump von Obamas Leuten vorgeworfen worden, er hätte sich nicht kritisch über Merkels Asyl- und Flüchtlingspolitik äußern dürfen, weil ein derartiges Eingreifen in die Souveränität eines fremden Staates ethisch nicht vertretbar sei. "Das sagen die, die offen in fremde Angelegenheiten reingehen. Manchmal auch mit Gewalt. Das sind keine Doppel- sondern Tripelstandards", kam Lawrow so richtig in Fahrt. "Sie müssten rot werden, wenn sie uns Einmischung vorwerfen."

Zurückhaltung zu Trump

Die mutmaßlichen russischen Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs hatten zuletzt zu einer Eiszeit zwischen Washington und Moskau geführt. Eine von Obamas letzten Amtshandlungen waren Sanktionen gegen Russland, darunter die Ausweisung von 35 Diplomaten. Trump kritisierte hingegen die Ermittlungen der US-Geheimdienste und lobte Putin für den Verzicht von Gegenmaßnahmen.

Diplomatisch zurückhaltend reagierte Lawrow am Mittwoch indes auf die Frage, was er sich selbst vom neuen US-Präsidenten erwartet. Dass viele Menschen die Hoffnung hegen würden, dass sich unter Donald Trump das bilaterale Verhältnis verbessern könnte, bewerte er "positiv", lautete die knappe Antwort. Trump sei jemand, der auf eine effektivere Wahrnehmung der nationalen Interessen setze, zeigte der Außenminister Verständnis für den neuen Mann im Weißen Haus. "Das ist auch das Interesse der russischen Außenpolitik."

Russlands Chefdiplomat hatte bereits am Dienstag die Hoffnung geäußert, mit dem künftigen US-Präsidenten einen umfassenden Neuanfang im schwierigen bilateralen Verhältnis beginnen zu können. Lawrow listete dabei im Rahmen seiner traditionellen Pressekonferenz zum Jahresbeginn mehrere Bereiche auf, in denen man mit der neuen US-Führung ins Gespräch kommen wolle – vom Kampf gegen den Terrorismus über Syrien bis zu strategischer Stabilität.

Experte erwartet nur "gewisse Annäherungen"

Der außenpolitische Experte Dmitrij Trenin, Direktor des in Russland ansässigen US-Thinktanks "Carnegie Moscow Center", einer Zweigstelle der NGO "Carnegie Endowment for International Peace" in Washington, rät hingegen von übertriebenen Erwartungen ab. Allenfalls könnte es gewisse Annäherungen geben. "Vielleicht eine Allianz gegen die Jihadisten-Miliz "Islamischer Staat" (IS) oder eine Entspannung bezüglich des Ukraine-Konflikts."

Dieser stehe bei Trump "nicht sehr weit oben auf der Agenda", rekapitulierte Trenin am Mittwochvormittag im Gespräch mit österreichischen Journalisten. "Trump ist ein amerikanischer Nationalist, der über die Globalisierung unglücklich ist, weil sie die amerikanischen Interessen beeinträchtigt." Andererseits sei Russland selbst an einer Verbesserung der Beziehungen interessiert. Auch wegen des Zugangs zu US-Technologien.

Russland auf Identitätssuche

Prinzipiell ist Russland derzeit noch auf einer Art Identitätssuche, analysierte der Experte. War seit dem Zerfall des Sowjetimperiums vor mehr als 25 Jahren eine Weile eine Annäherung an den Westen und auch an die EU angestrebt worden, schlage das Pendel nicht zuletzt seit dem Konflikt in und mit der Ukraine in eine andere Richtung aus. "Der Westen ist für Moskau kein Mentor mehr, kein Modell. Er ist nur noch ein Nachbar, aber kein Teil der Familie."

Auch die EU werde nur noch als wichtiger Wirtschaftspartner gesehen. Andererseits scheint für Trenin auch das Konzept des Aufbaus eines potenten eurasischen Bündnisses gescheitert. Dafür hätte es eine Macht "mit rund 200 Millionen Menschen" gebraucht. Und das wäre für Russland nur gemeinsam mit der gesamten Ukraine mit ihren rund 45 Millionen Einwohnern denkbar gewesen. Dort ist das Interesse derzeit aber nicht mehr vorhanden. Außenminister Pawlo Klimkin sprach im Zuge des Besuch von Außenminister Kurz am Montag und Dienstag in Kiew sogar davon, dass die Feindschaft mit Russland wohl mehrere Generationen andauern werde. (APA, 18.01.2017)