Die "Süddeutsche" fasste Donald Trumps Äußerungen in Interviews mit der "Times" und "Bild" in dem Aufmachertitel zusammen: "Trump stellt Nachkriegsordnung infrage".

So ist es, und es ist Selbstbetrug, daran zu glauben, der künftige Disruptor-in-Chief im Weißen Haus werde sich schon besinnen oder von den zwar reaktionären, aber wenigstens rationalen Mitgliedern seiner Regierung ausgebremst werden.

Trump ist ein Isolationist und Protektionist. Er möchte die amerikanische Wirtschaft wieder "great" machen, indem er Handelskriege beginnt. Mit China, der EU, Mexiko, Kanada. Internationale Handelsabkommen will er zerreißen und den guten alten Protektionismus erzwingen. Er sehe nur Mercedes in der 5th Avenue vor dem Trump Tower, aber keine Chevrolets in Deutschland, sagte er in dem Interview. Vielleicht weil keiner die kaufen will?

Dennis Snower, der Chef des renommierten Kieler Instituts für Weltwirtschaft, fürchtet einen Rückfall in die Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts mit Protektionismus, Populismus, Rechtsruck. Und Weltwirtschaftskrise.

Trump sieht die EU ganz offensichtlich als Gegner, als Rivalen um die "Größe" der USA. Haarsträubend, was er dazu zu sagen hat: "Look, zum Teil wurde die Union gegründet, um die USA im Handel zu schlagen, nicht wahr?" Die EU sei überhaupt nur als ein "Vehikel" Deutschlands gegründet worden, und es sei ihm egal oder sogar recht, wenn sie zerfalle.

Ein geeintes Europa ist der eine ganz wichtige Teil der Nachkriegsordnung, und der andere ist der Schutz durch die Nato. Ein Siebzigjähriger wie Trump müsste die blutige Niederschlagung des Ungarnaufstandes durch die Sowjets 1956, den Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968, die Bedrohung Europas durch sowjetischen Raketen et cetera, et cetera noch präsent haben. Aber er vertraut dem KGB-Agenten Putin, der die Sowjetunion wiedererrichten will, genauso sehr wie Angela Merkel.

Die Nachkriegsordnung war eine grandiose Errungenschaft. Nach der Niederringung des Nationalsozialismus hielt sie die sowjetische Expansion in Schach und gestattete einen nie gekannten Aufstieg, vor allem Europas, in Freiheit und Wohlstand. Was immer dabei an Fehlern und auch Rechtsbrüchen geschehen ist; was immer westliche Ahnungslose und Autokratenanbeter an Sowjeteuropa und Putins Nachfolgereich toll finden mögen – der Systemvergleich fiel und fällt triumphal für den Westen aus.

Gleichwertig mit dem Willen, die eigenen Werte zu verteidigen, war das Prinzip der Kooperation, der gegenseitigen Absprache und des Interessensausgleichs Grundbestandteil der Nachkriegsordnung. Trump kann, wie sein Geistesgenosse Putin, die Welt nur als Nullsummenspiel sehen, in der es kein Win-win gibt. In Wahrheit kommen diese ganze Trump'sche Disruption, diese Großsprecherei und sein Einschüchterungsgehabe aus seiner tiefsitzenden Furcht, dass die USA einen Abstieg erleben. Diesen Trend auf Kosten anderer, vor allem der Europäer, umdrehen zu wollen wird nur massiven Schaden für alle anrichten. (Hans Rauscher, 17.1.2017)