Über lange Zeiträume hochkonzentriert, entscheidungsfreudig, schnell und mit rascher Auffassungsgabe sowie sehr gutem räumlichem Vorstellungsvermögen gesegnet: Die Anforderungen für Fluglotsen dürften auch mit neuen Technologien hoch bleiben.

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Wien – Fluglotsen arbeiten schon seit Jahrzehnten mit derselben Technologie: Sie sitzen vor Bildschirmen, auf denen der Flugraum zweidimensional dargestellt wird. Die Flughöhe der Flugzeuge wird lediglich als Text eingeblendet. Um wirklich einen Überblick über die Situation in der Luft zu bekommen, müssen sich die Lotsen diese Information also als dritte Dimension quasi ins Bild hineindenken. Dazu kommt, dass die Flugpositionsdaten nur alle ein bis vier Sekunden aktualisiert werden.

Die Art und Weise, wie die Flugverkehrskontrolle ihre Daten visualisiert, scheint heute nicht mehr effizient genug zu sein, sagt Peter Judmaier vom Department für Medien und Digitale Technologien an der FH St. Pölten. Denn die Flugposition könnte mittlerweile auf neue Weise erfasst werden: Bisher wurde der Flugraum in "Quader" unterteilt, in denen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur ein Flugzeug auf einer bestimmten Flughöhe ("Flightlevel") befinden durfte. In Zukunft sollen nun Flugzeuge punktgenau entlang einer zuvor berechneten "Wurflinie" navigiert werden. "Flugzeuge befinden sich so stetig in einer Aufwärts- oder Abwärtsbewegung. Das spart Treibstoff und bringt noch eine Reihe weiterer Vorteile."

Die Europäische Union hofft, dass diese Modernisierung des Air Traffic Management die Flugkosten halbieren und den Ausstoß an Kohlenstoffdioxid um zehn Prozent reduzieren könnte. Der verringerte Ausstoß könnte aber relativiert werden: Durch die Wurflinienführung sollen nämlich dreimal mehr Flugzeuge zugleich in der Luft sein können, als es heute möglich ist – bei gleichzeitiger Erhöhung der Flugsicherheit um den Faktor zehn.

Drei Dimensionen gefragt

Flugzeuge also enger im Luftraum zu "stapeln" und sie trotzdem sicherer ans Ziel zu bringen: An diesem Punkt kommt das Projekt "Virtual Airspace and Tower" (VAST) ins Spiel. Um die Flugverkehrskontrolle noch effizienter und sicherer zu machen, suchen Frauenhofer Austria in Graz, das Unternehmen Frequentis, ein führender Kommunikationsausstatter von Flughäfen, und die FH St. Pölten nach neuen Möglichkeiten, wie Flugzeuge im Luftraum dreidimensional visualisiert werden können.

"Fluglotsen sollen durch Visual-Computing-Technologie die Situationsübersicht einfacher und schneller erfassen können", sagt Judmaier, der das Projekt an der FH St. Pölten leitet. Das dabei zu lösende Problem: Es braucht eine Darstellung, die den Lotsen einfach und schnell erfassbar anzeigt, an welchem Punkt sich ein Flugzeug in diesem Moment und zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt entlang seiner Wurflinie befinden wird. Und welche Höhenänderungen sich etwa durch die Witterungsverhältnisse ergeben könnten.

Dabei gäbe es heute prinzipiell schon genug Möglichkeiten der Visualisierung. Eingesetzt werden könnten etwa Virtual-Reality-Brillen, in denen Karten und Flugzeuge in einem virtuellen Raum dreidimensional abgebildet werden. Die Krux dabei: Kaum jemand kann diese Brillen länger als zwei Stunden tragen, ohne eine "Simulation-Sickness" zu erleiden, also mit Kopfschmerzen und Übelkeit zu reagieren. Eine andere Möglichkeit wären sogenannte Augmented-Reality-Umgebungen. Dabei werden in transparente Brillen zusätzliche Informationen eingeblendet. So könnte etwa eine Situationsübersicht auf einem Big-Wall-Display, also einem sehr großen Bildschirm mit bis zu sechs mal drei Meter Durchmesser, dargestellt und Ausschnitte der Karte auf kleineren Bildschirmen in anderer Perspektive dreidimensional herausgezoomt werden.

Die Fluglotsen reden mit

Diese und andere Darstellungsformen erkundet das VAST-Projekt, das seit September 2016 und planmäßig noch bis Anfang 2019 läuft. Peter Judmaier: "Zusätzlich recherchieren wir neue Computerspiele und schauen, wie sie diese Probleme lösen." Ein weiterer Schwerpunkt werde die Entwicklung "virtueller Tower" sein. "Kleine Flughäfen könnten ihren Tower virtuell an einen größeren übergeben und so Kosten für Fluglotsen sparen."

Bei der Auswahl neuer Technologie wird im VAST-Projekt besonderer Wert auf die Usability und die Einbindung der zukünftige Nutzer gelegt. "Es nützt nichts, wenn wir der Meinung sind, dass diese oder jene Technologie die beste ist, wenn die Praktiker sie nicht annehmen", sagt Judmaier. Daher seien von Beginn an Fluglotsen ins Projekt eingebunden. Nach der Technologie-Recherche soll ein erster Prototyp gebaut werden, der nach einem Feedback-Prozess und dem Einbau von Verbesserungen zu einem Demonstrator weiterentwickelt werden soll. Überzeugt das Projekt, könnte es durch Frequentis weltweit zum Einsatz kommen. (Norbert Regitnig-Tillian, 23.1.2017)