Innenminister Wolfgang Sobotka riet dem Kanzler, seinen Terminkalender für die Regierungsarbeit leerzuräumen.

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Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sieht in Sobotkas Vorschlag von Containerdörfern für Flüchtlinge ein "Sicherheitsrisiko".

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Wien – Am Ende war es das übliche Hickhack, das sich SPÖ und ÖVP beim Ministerrat lieferten. Die Schwarzen halten nichts von der Debatte über die Abschaffung der Selbstbehalte für Selbstständige, die Roten sind ob der Asylobergrenzen-Debatte irritiert.

Den Scharfmacher auf ÖVP-Seite gab am Dienstag einmal mehr Innenminister Wolfgang Sobotka. Er kritisierte vor der Regierungssitzung Kanzler Christian Kern dafür, dass dieser ohne vorherige Absprache einen Ministerratsvortrag zum Aus der Selbstbehalte vorlegte, und sprach von einer "populistischen Forderung".

Terminkalender freiräumen

Wenn Kern wirklich einen Neustart wolle, hätte er am Montag nicht den Regierungsbunker besuchen (dort kann die Regierung im Fall eines Kriegs Unterschlupf finden), sondern seinen Terminkalender freiräumen sollen, merkte Sobotka süffisant an.

Inhaltlich hält er es für sinnvoll, dass Selbstständige einen 20-prozentigen Eigenbeitrag leisten. Das sei ein wichtiges Steuerungsinstrument im Gesundheitssystem. Statt den allgemeinen Selbstbehalt bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) abzuschaffen, wäre Sobotka dafür, dieses Modell auf alle Krankenkassen umzulegen.

Keine Meinungsdiktatur

Nach dem Ministerrat gab dann ÖVP-Regierungskoordinator Harald Mahrer den Beschwichtiger. Er hält es für nicht so tragisch, wenn der Koalitionspartner eigene Pläne vorlege. Zusatz: solange das nicht inflationär geschehe. "Erfreulicherweise haben wir keine nordkoreanische Meinungsdiktatur." Er zeigte sich weiterhin optimistisch, dass man bis Anfang Februar eine gemeinsame Überarbeitung des Regierungsprogramms zustande bringen werde.

Obergrenzenstreit

Die unterschiedlichen Zugänge zeigen sich aber auch weiterhin bei der Asylobergrenze. Zuletzt hatte sich die ÖVP ja dafür ausgesprochen, den Wert für das heurige Jahr zu halbieren – auf 17.500. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte Sobotka nun monatliche Asylwerte vorgeben. Sobald sie überschritten werden, sollen Flüchtlinge in Wartezentren an den heimischen Flughäfen untergebracht werden.

Der Minister denkt dabei an die Errichtung von Containerdörfern, was aber von der SPÖ mit Kopfschütteln quittiert wurde. Die SPÖ sei zwar auch für eine Reduktion der Flüchtlingszahlen, Containerdörfer seien aber keine Lösung, meinte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der für die SPÖ das Thema verhandelt.

"Sicherheitsrisiko"

Er befürchtet, dass Menschen, deren Antrag nicht angenommen wird, in die Illegalität abdriften und zu einem "Sicherheitsrisiko" werden. Er kenne keinen Landeshauptmann, der in seinem Land ein solches Containerdorf haben wolle, meinte Doskozil.

Eine Lösung brachte auch eine Aussprache nach dem Ministerrat nicht. Sobotka und Doskozil vereinbarten lediglich, dass sie nun gemeinsame Maßnahmen zur Reduktion der Flüchtlingszahlen erarbeiten wollen.

Verfassungsgesetz gewünscht

Wie berichtet ist ein Knackpunkt auch die Frage, ob man die Obergrenze – in welcher Höhe auch immer – überhaupt gesetzlich verankern kann. Verfassungsjuristen sind skeptisch, ebenso die SPÖ. Sobotka wiederum will die Obergrenze gleich als Verfassungsgesetz beschließen, damit sie vom Höchstgericht nicht gekippt werden kann.

An der Notwendigkeit besteht für ihn kein Zweifel. Die EU-Verträge böten die Möglichkeit solcher Einschränkungen, wenn die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit gefährdet seien. Angesichts von steigender Arbeitslosigkeit und Kriminalität sei die Gefährdung der öffentlichen Ordnung gegeben. Sobotka: "Es geht nicht darum, dass wir nicht wollen. Wir schaffen das einfach nicht." (go, 17.1.2017)