Die Zeiten ändern sich: Häupl beim Mittagessen im Silberwirt mit Deutsch und Wehsely im Jahr 2010.

Foto: Matthias Cremer

Wien – In der Wiener SPÖ rumort es noch immer: Der einstige SPÖ-Landesparteisekretär Christian Deutsch, einer der lautesten Parteikritiker der vergangenen Wochen, hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) empfohlen, so bald wie möglich zurückzutreten und seine Nachfolge zu klären. "Es ist dies eine Bitte an den Bürgermeister, das selbst zu regeln", beteuerte er.

Derartige Überlegungen anzustellen dürfe nicht als "Majestätsbeleidigung" gewertet werden, befand Deutsch – der durchaus einen zeitlichen Druck ortet. Der Weggefährte und Vertraute von Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann verwies auf die Wien-Wahl 2020. Die Nachfolge müsse rechtzeitig davor entschieden werden.

"Je früher, desto besser"

Terminliche Ratschläge, also ob Häupl schon im Vorfeld der Ende der Woche anstehenden SPÖ-Vorstandstagung oder erst später, zum Parteitag im April, das Ruder übergeben solle, wollte Deutsch nicht erteilen. Das solle der Bürgermeister selbst entscheiden: "Das gebührt ihm allein schon aus Respekt vor seiner Leistung."

Aber: "Je früher, desto besser. Damit wir dann wieder in die Offensive kommen. Wir wollen ja nicht der Opposition eine Freude machen." Die Übergabe solle jedenfalls geordnet verlaufen, eine Kampfabstimmung etwa auf dem Parteitag wäre fatal: "Das will niemand."

Rochaden nötig

Deutsch erwartet sich auch in der Stadtregierung weitere Personalrochaden. Diese seien mit dem Rücktritt von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely nun zumindest "eingeleitet" worden. Und falls keine weiteren Änderungen im Regierungsteam mehr folgen? Dann hätte Häupl seine Ankündigung einer "sehr umfassenden" Umbildung nicht wahr gemacht, stellte der frühere Parteimanager klar.

Nötig sei eine solche jedenfalls, meint Deutsch – mit Blick auf jüngste, für die Wiener SPÖ wenig erfreuliche Umfragen. Laut diesen seien die Bereiche Gesundheit, Arbeitsmarkt, Bildung und Integration jene mit dem größten Reformbedarf.

"Nicht in gewählter Funktion"

SPÖ-Landesparteisekretärin Sybille Straubinger scheint wegen der erneuten Rückttrittsaufforderung Deutschs langsam der Geduldsfaden zu reißen. "Wenn er sich äußern will, soll er zum Telefonhörer greifen und den Bürgermeister anrufen", legte Straubinger ihm nahe.

"Ich frage mich, was Herrn Deutsch eigentlich dafür prädestiniert, der Wiener SPÖ und dem Herrn Bürgermeister alle paar Tage etwas über die Medien auszurichten", meint die Parteimanagerin – denn: "Ich wüsste nicht, dass er in einer gewählten Funktion ist, zumindest nicht auf Landesebene." Sein Bezirk (Liesing, Anm.) sei wie jeder andere im erweiterten Vorstand vertreten und könne sich bei der Tagung am Freitag und Samstag einbringen.

"Persönliche Gründe"

Deutsch gehe es "offensichtlich nicht um eine konstruktive Lösung, sonst würde er einen anderen Weg wählen", so Straubinger. Sie vermutet persönliche Gründe hinter der Kritik. "Wenn er davon spricht, dass man der Opposition keine Freude machen soll, dann würde ich sagen, dass er der Opposition regelmäßig die größte Freude macht", sagte Straubinger. Ob Deutschs Worte eigentlich noch Gewicht in der Partei haben? "Wir haben gewählte Gremien. Die entscheiden – und nicht der Herr Deutsch."

Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid stärkte Deutsch den Rücken. Dessen Aussagen seien "sehr fair" formuliert. "Christian Deutsch war viele Jahre lang ein sehr erfolgreicher Landesgeschäftsführer, kennt die Partei im Detail und ist eine Art Katalysator der Meinungen und Haltungen vieler Funktionäre und Mitglieder in der Partei", sagte Schmid, der sich wie Deutsch bis zuletzt hinter Kanzler Werner Faymann gestellt hatte.

Schmid – nach wie vor im Gemeinderat vertreten – gab zu bedenken, dass sich die Wiener Roten in einer schwierigen Situation befänden. "Die Umfragen sind schlecht, und wir müssen mittel- und langfristige Strukturen finden, um da wieder rauszukommen." Ob er wie Deutsch ebenfalls für einen schnellen Abgang des Bürgermeisters plädiert, ließ der Hietzinger Bezirksparteichef offen. Nur soviel: "Häupl hat ein großes Lebenswerk vollbracht und ich gehe davon aus, dass er sich seiner Verantwortung für die Partei und für die Stadt bewusst ist." (APA, red, 17.1.2017)