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Zum neuen Marktriesen gehören Marken wie Ray-Ban und Oakley.

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Die Branche spricht von einem Big Bang: Zwei der größten Nummern des internationalen Brillengeschäftes vereinigen sich zu einem neuen Marktführer. Die französische Essilor ist spezialisiert auf die Herstellung von Brillengläsern und hat das stufenlose Gleitsichtglas Varilux erfunden. Sie übernimmt die italienische Luxottica, die ihrerseits Gestelle für Armani, Prada, Ralph Lauren, Chanel und viele andere herstellt und in den letzten Jahren US-Marken wie Ray-Ban und Oakley übernommen hat.

Laut Aussendung entsteht ein Konzern mit mehr als 140.000 Mitarbeitern auf der ganzen Welt und einem Umsatz von 15 Milliarden Euro; der Börsenwert wird auf 46 Milliarden Euro taxiert.

Der Deal ist so gewichtig, dass die Regierungen Frankreichs und Deutschlands noch vor der offiziellen Ankündigung informiert wurden. Konkret bringt der Luxottica-Gründer Leonardo Del Vecchio seine Anteile in Essilor ein; als zukünftiger Hauptaktionär wird er noch 31 Prozent der Stimmrechte – knapp unter der Sperrminorität – halten. Für tausend Luxottica-Aktien gibt es 461 Essilor-Aktien. Das Unternehmen wird am Essilor-Sitz in Paris-Charenton angesiedelt und an der Pariser Börse notieren, wo es volumenmäßig die Nummer sieben wird.

Gleiche Rechte

Konzernchef wird Del Vecchio, er wird sekundiert vom bisherigen Essilor-Chef Hubert Sagnières, neuer Vizepräsident "mit gleichen "Rechten". Der 81-jährige Milliardär aus Venetien, der als frankophil gilt und heute die meiste Zeit in Beaulieu an der Côte d'Azur lebt, hatte ein erstes Fusionsangebot Essilors vor zwei Jahren noch abgelehnt; offenbar fand er aber seither keinen Nachfolger. Es wird gemunkelt, dass Del Vecchios Vorsitz nicht von langer Dauer sein dürfte und Sagnières in relativ kurzer Zeit die Leitung übernehmen solle.

Dass die Italiener nun einlenkten, dürfte auch mit dem finanziell besseren Tauschverhältnis zu tun haben: Essilor hatte 2016 Rückschläge in Nord- und Südamerika erlitten und ein Fünftel seines Börsenkurses eingebüßt.

Börsenschwache Franzosen

Angesichts des schnell wachsenden Brillenmarkts namentlich in Asien gilt die Börsenschwäche der Franzosen aber als vorübergehend. Am Montag legten die Titel beider Unternehmen mehr als zehn Prozent zu.

Die beiden Unternehmen kennen einander bestens: Essilor ist schon heute der wichtigste Gläserlieferant für die Luxottica-Gestelle. Ihre Marktsegmente gelten als komplementär, was laut der gemeinsamem Aussendung Synergien von 400 bis 600 Millionen Euro erwarten lässt. Kündigungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil, erklärte Del Vecchio: "Die Hochzeit zwischen zwei Schüsselunternehmen in ihren Branchen wird dem Markt, den Angestellten und insbesondere all unseren Kunden große Vorteile bringen."

Warum "insbesondere" den Kunden, muss sich freilich erst noch weisen. Die Kartellbehörden in zahlreichen Ländern werden genau hinschauen, ob keine Ausnützung einer marktbeherrschenden Position droht. Essilor deckt in Frankreich bereits heute gut zwei Drittel des Brillenglasmarktes ab. In Deutschland hatte das Kartellamt das französische Unternehmen sowie andere Brillenglashersteller 2010 wegen unerlaubter Absprachen büßen lassen.

Luxottica wurde von US-Medien wie "Forbes" vorgehalten, dank seiner zahlreichen Designermarken ein "virtuelles Monopol" zu pflegen und damit die Preise für seine Brillenfassungen künstlich hochzuhalten. Das Newsportal "Huffington Post" schrieb, Luxottica kontrolliere "einen Großteil der Produktionskette von den Gestellen bis zu den Läden, wo wir unsere Brillen kaufen, bis hin zu unserer Gesundheitsversicherung". Luxottica besitzt in der Tat auch die Versicherung Eyemed. Österreich wird wie ganz Osteuropa aus einer Essilor-Produktion in Brunn am Gebirge südlich von Wien versorgt.

Vom Waisen zum Milliardär

Der 81-jährige Mailänder Leonardo Del Vecchio hatte bereits vor dem Deal ausgesorgt. Er ist laut Forbes mit einem Nettovermögen von 18 Milliarden Dollar der reichste italienische Unternehmer. Del Vecchios weltweites Brillenimperium Luxottica hat 78.000 Beschäftigte. Er selbst steht Luxottica als Executive Chief Officer noch immer vor und hat dort das Sagen. Auch beim neuen Fusionskonzern Luxottica-Essilor wird Del Vecchio den Ton angeben – wie lange, bleibt abzuwarten. Übrigens zählt er auch zu den Großaktionären von Unicredit und Generali und hat eine eigene Immobilienfirma, Beni Stabili.

Wäre Del Vecchio nicht Italiener, müsste man sein Leben und seine Karriere als einen "amerikanischen Traum" bezeichnen. Er avancierte nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, aber vom bettelarmen Waisenkind zum Milliardär, der mit seiner Luxottica nach und nach die Konkurrenz regelrecht deplatzierte. Der Sohn eines Arbeiters und eines Zimmermädchens wuchs in einem Waisenhaus auf, das von strengen Nonnen geleitet wurde. Die Erziehungsmethode lautete: wenig essen und viel beten. Als einfacher Mechaniker gelang es ihm, sich früh selbstständig zu machen und mit 25 Jahren in den Dolomiten den Brillenfassungsspezialisten Luxottica zu gründen. Dieser ist inzwischen zum weltweit größten Brillenhersteller mit einem Umsatz von neun Milliarden Euro avanciert. (Stefan Brändle aus Paris, Thesy Kness-Bastaroli, 17.1.2017)