Der ehrwürdige Jesse Jackson weinte am Abend des 4. November 2008 im Grant Park von Chicago wie ein kleines Kind, als Barack Obama seine Wahl angenommen hatte. Zuvor war der hartgesottene Kämpfer für die Rechte der Schwarzen dessen erbitterter innerparteilicher Gegner gewesen. An diesem Abend allerdings signalisierten die Tränen des Pastors, dass Obama Geschichte geschrieben hatte: Er war als erster Schwarzer zum US-Präsidenten gewählt worden – und damit war ein wichtiger Teil seines Erbes schon bestimmt, noch bevor er sein Amt überhaupt angetreten hatte. Nun, acht Jahre später, nahm er in Chicago Abschied – erneut mit einer großen, emotionalen Rede.

Der "Politiker mit dem lustigen Namen", wie Obama selbst gern kokettiert, trat als Träger großer, sehr oft überzogener Hoffnungen an. Er übernahm ein von der Finanzkrise zutiefst erschüttertes, verunsichertes Land. Nichtsdestotrotz wollte er ein transformativer Präsident sein; eine Art Ronald Reagan der Linken, der die USA neu aufzustellen und zu prägen plante. Und als ob das nicht ausgereicht hätte, gab er dazu noch den sendungsbewussten Versöhner, nicht den kleinlichen parteipolitischen Spalter. Die überschießenden Hoffnungen in den Staaten und anderswo befeuerte er damit noch, statt sie zu mäßigen. Vielleicht auch deshalb, weil der eigentlich so nüchterne Stratege, besoffen von seinem unerhörten Erfolg, selbst daran glauben wollte, dass er demnächst auch über das Wasser laufen werde.

Das "nation building at home" allerdings war schwieriger als erwartet: Der Präsident rettete die Wirtschaft, versuchte den Wölfen an der Wall Street mit Verbraucherschutzgesetzen einen Beißkorb zu verpassen, schaffte mit Obamacare das, woran sich schon viele die Zähne ausgebissen hatten: eine Krankenversicherung für viele unversicherte Bürger. Bei den Zwischenwahlen 2010 allerdings bekam er dafür die Rechnung des reaktionären Amerika präsentiert: Die Republikaner übernahmen den Kongress. Gegen die Tea-Party-Bewegung und ein feindseliges Parlament gelang innenpolitisch nur noch wenig. Im legislativen Stillstand musste der Präsident immer öfter mit Dekreten regieren, durch die sein "Erbe" nun leichter auslöschbar wird – im Umweltschutz oder bei den Rechten für Homosexuelle etwa.

Aus dem innenpolitischen Grabenkampf verlegte der verfrühte Friedensnobelpreisträger seine Ambitionen auf die auswärtigen Angelegenheiten. Die Präsenz in Afghanistan und im Irak fuhr er zurück. Den Muslimen reichte er in Kairo rhetorisch seine Hand. Im israelisch-palästinensischen Konflikt scheiterte er an der Abneigung zwischen ihm und der israelischen Regierung. Den aus seiner Sicht für US-Interessen nicht prioritären Libyenfeldzug führte er "vom Rücksitz aus". Osama Bin Laden wurde bei einer von ihm befohlenen Kommandoaktion getötet. Den mörderischen Drohnenkrieg eskalierte er. In Syrien gelang es dem Zauderer trotz angekündigter "roter Linien" nicht, den Konflikt zu begrenzen. Der Kompromiss mit dem Iran im Atomstreit brachte keine Annäherung in vielen vitalen Fragen im Nahen Osten. Dafür wuchert der IS im dortigen Machtvakuum auf, und die "Regionalmacht Russland" (Obama) tanzt der Superpower USA auf der Nase herum.

2009 hat Obama ein Land, eine Welt am Abgrund übernommen. 2017 übergibt er beide nicht weit davon entfernt. Sein bleibendes Verdienst ist es, dass er die Klippen gemieden hat. Er war zweifellos ein guter Präsident, aber kein überragender – so wie es seine Anhänger und wohl auch er selbst erhofft hatten. (Christoph Prantner, 10.1.2017)