Der Mühlviertler Familienkonzern Engel baute die Produktion im laufenden Geschäftsjahr um 100 Millionen Euro aus, der Großteil davon floss nach Österreich.

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Stefan Engleder stellt heuer 45 zusätzliche Lehrlinge ein. "Dass die Jugend faul und lernunwillig ist, stimmt einfach nicht."

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Wien – Ein Erbrecht auf die Nachfolge gab es nie. Sein Weg an die Spitze des Maschinenbauers Engel mit seinen weltweit 5200 Mitarbeitern und 1,25 Milliarden Euro Umsatz sei nicht vorgezeichnet gewesen, sagt Stefan Engleder. Er habe sich beweisen müssen. Dass er den traditionsreichen Familienkonzern in vierter Generation weiterführen wollte, trotz seiner Passion für die Physik, sei ihm jedoch schon früh klar gewesen. "Mein Großvater nahm mich als kleiner Bub mit auf seine Werksrundgänge. Seine Begeisterung für die großen Maschinen hat mich geprägt."

Engleder ist 38. Er studierte in Wien Maschinenbau, leitete mehrere Jahre lang das Technikressort der Engel-Gruppe und lebt mit seiner Familie in Schwertberg. Seit Dezember ist er Vorstandschef des Weltmarktführers für Spritzgießanlagen für die Kunststoffindustrie. Engleder übernimmt den Job von seinem Onkel Peter Neumann – dieser zog sich im Alter von 60 Jahren nach 19 Jahren als Chef zurück. "Er hat das frei entschieden und wirklich durchgezogen."

Von OP-Besteck bis Spielzeug

Engel zählt zu Österreich größten Industrieunternehmen in Familienhand. Die Mühlviertler betreiben von Schwertberg aus neun Werke in Europa, Asien wie Nordamerika und gut 30 Vertriebsniederlassungen. Ihr Know-how findet sich quer durch alle Branchen in Hightech-Produkten ebenso wie in Dingen des täglichen Bedarfs.

Kunden des Anlagenbauers reichen von der Autoindustrie und Spielzeugherstellern über die Verpackungsbranche bis hin zu Handyproduzenten und Medizintechnikspezialisten. Ärzte operieren mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Geräten, die Maschinen des Konzerns entstammen. Auch Kameralinsen, Getränkeverschlüsse und Teile des Autointerieurs haben vielfach oberösterreichische Wurzeln. 300 aktive Patente sichern die Technologie der Gruppe ab.

Engel drängte nie ins Rampenlicht. Der stete Aufstieg verlief von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. In die Schlagzeilen kam das Unternehmen erst, als es handfeste Krisen erlebte.

Schlammwüste und Solidarität

2002 verwandelte ein Hochwasser das gesamte Firmengelände in eine Schlammwüste. Teilweise stand das Wasser mehr als zweieinhalb Meter hoch in den Hallen. Es war wie ein Weltuntergang, erinnert sich Engleder. "Gesehen zu haben, wie Schwertberg praktisch verschluckt wurde, verändert einen. Ich habe noch heute ein mulmiges Gefühl, wenn das Wasser steigt." Woran er sich jedoch ebenso erinnere, sei die Solidarität der Mitarbeiter, der Lieferanten – "und der Ehrgeiz, mit dem alles neu aufgebaut wurde". Fünf Monate später lieferte Engel wieder die ersten Maschinen aus.

2009 schlitterte die ganze Branche in die Bredouille. Der Markt brach ein. Engel verlor die Hälfte der Aufträge, hunderte Beschäftigte mussten gehen. "Es war ein Schock", sagt Engleder. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens wurde im großen Stil gekündigt. Ein halbes Jahr später stockte Engel die Belegschaft wieder massiv auf. Prognosen, die erst viel später Erholung vorhergesagt hatten, waren falsch. "Aber wir wussten es damals nicht anders."

Doppelter Umsatz

Mittlerweile hat Engel Umsatz und Zahl der Mitarbeiter im Vergleich zur Zeit vor der Krise verdoppelt. Im laufenden Geschäftsjahr investiert der Konzern 100 Millionen Euro, der Löwenanteil davon fließt in den Ausbau österreichischer Standorte. Aber auch in China und Korea wurden die Fertigungen erweitert. Engel produziert in Asien als einziger westlicher Spritzgießanlagenbauer für die dortigen lokalen Märkte.

Was man aus den Turbulenzen der Vergangenheit lernte? Es sei wichtig, sich für Entscheidungen Zeit zu kaufen, sagt Engleder. Mit Betriebsräten wurden daher Krisenvorsorgekonten angelegt, um im Ernstfall Kapazität reduzieren zu können, ohne Stellen streichen zu müssen. Auch gegen Hochwasser ist Engel nun gewappnet. Zweimal gab es seither wieder Alarm – der neue Damm hielt stand.

Als Produktionsstandort sei Österreich wettbewerbsfähig, vor allem wenn es um Lohnstückkosten für anspruchsvolle Produkte gehe, ist Engleder überzeugt. Auch die Forschungsförderung sei vernünftig und gehe nicht in Papierkrieg unter. Wünschen würde er sich mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten und Erleichterungen bei Investitionen, wie sie andere Länder über Freibeträge gewährten.

An Nachwuchs sieht er es für Engel im Mühlviertel nicht mangeln. 180 Lehrlinge in neun Lehrberufen zählt er derzeit, ein Zehntel davon sind Frauen. Dass die Jugend faul und lernunwillig sei, stimme einfach nicht, sagt er. "Wir beobachten nur, dass die Grundausbildung schlechter wurde."

Viel Nachwuchs

In der Folge biete man in der jüngst erneuerten Lehrwerkstätte auch Kurse für Deutsch und Mathematik an, verbunden mit einer kleinen Benimmschule. Auf jeden freien Platz kämen drei Bewerbungen. Neben mehr Lehrlingen zogen im Vorjahr auch Kleinkinder der Mitarbeiter in das Werk Schwertberg ein: Engel startete eine Krabbelstube. Gehen auch Männer in Karenz? Die Möglichkeit dafür sei auf jeden Fall da, die Tendenz dazu stark steigend.

"Die Augen nicht verschließen" will Engleder vor der Debatte um die Risiken des Plastikzeitalters. "Wir sind ein Teil der Kette. Dieses Thema treibt uns daher sehr um." Kunststoff helfe durch sein geringes Gewicht aber auch, Energie zu sparen, entscheidend sei richtiges Recycling. "Die dümmste Idee ist es, Plastik ins Meer zu kippen."

Engel selbst soll weiter in Familienbesitz bleiben. Nicht eine Sekunde lang sei je ein Verkauf angedacht worden, betont Engleder. Schon die Großeltern hätten sparsam gewirtschaftet und zur richtigen Zeit in die richtige Technik investiert. Wie es Unternehmen gelingt, viele Generationen schadlos zu überdauern? "Mit finanzieller Unabhängigkeit und Geschäftsführern, die nicht nur Zahlen, sondern auch das Geschäft verstehen." (Verena Kainrath, 9.1.2017)