PRO: Reine Provokation
von Conrad Seidl

Kopftücher können modische Accessoires sein – Filmdiven der 1950er-Jahre haben sich damit geschmückt, sie passen auch gut zum Dirndl. Das aber ist alles lang vergessen, denn man weiß, dass Kopftücher heute vor allem als ein politisches Statement getragen werden – als Bekenntnis zum fundamentalistisch orientierten Islam, der sich in alle Lebensbereiche drängen will.

Es versteht sich von selbst, dass einem ein öffentlich Bediensteter nicht mit einem T-Shirt entgegentreten darf, das seine politische Gesinnung offenbart: Auch wenn man als Bürger weiß, dass jeder Beamte und Vertragsbedienstete wohl eine politische Meinung haben dürfte, hätte man doch Zweifel an deren Objektivität, wenn einem Staatsdiener offen als Rote, Schwarze, Blaue oder Grüne gegenübertreten würden.

Und auch wenn Österreich ein mehrheitlich christliches Land ist, wäre es unpassend, wenn Bescheide von Männern und Frauen im Ordenshabit ausgestellt würden. Die öffentlich Bediensteten müssen über jeden Verdacht der Parteinahme erhaben sein. Daher muss sich der Staat dagegen wehren, dass seine Diener und Dienerinnen den Anschein der Objektivität verwischen.

Lange Zeit waren Beamte daher selbst in der allgemeinen Verwaltung uniformiert – in den letzten Jahrzehnten glaubte man, ohne Kleidervorschriften auskommen zu können. Wenn aber mit Kleidung provoziert wird, muss man das Selbstverständliche wieder vorschreiben. (Conrad Seidl, 9.1.2017)

KONTRA: Reine Diskriminierung
von Andreas Schnauder

Sebastian Kurz versteht es, sich in der Integrationsdebatte zu positionieren und das Feld nicht gänzlich der FPÖ zu überlassen. Diesmal ist es ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, für das er sich erwärmt. Er argumentiert dabei mit dem säkularen Staat, in dem derartige Symbole nichts zu suchen hätten, wie der Außenminister sinngemäß meint.

Die Begründung hätte viel für sich, wäre sie konsequent durchdacht. Ist sie aber nicht. Wer Religiosität aus staatlichen Ämtern und Einrichtungen verbannen will, kann sich dabei nicht auf den Islam beschränken, sondern muss auch Kreuze, Kippa und Zeichen anderer Glaubensbekenntnisse ausschließen.

Doch mit dem Kruzifix ist Kurz nicht über Kreuz, weil dieses zur "historisch gewachsenen Kultur" des Landes zähle, wie er sagt. Diese Linie kann bestenfalls als scheinheilig bezeichnet werden. Man könnte sie auch diskriminierend nennen. Während alle anderen Religionssymbole kein Thema sind, schießt sich Kurz auf das Kopftuch ein. Das erweckt den Eindruck, die ÖVP-Zukunftshoffnung versuche, sich auf Kosten der Muslimas zu profilieren.

Beschränkungen der Religionsfreiheit sind sehr wohl möglich, wie auch die Generalanwältin in einem am Europäischen Gerichtshof anhängigen Fall (zu einem privaten Arbeitsverhältnis) ausgeführt hat (er ist noch nicht entschieden). Derartige Verbote dürfen sich aber nicht auf einzelne Religionen beschränken. Das sollte auch Kurz beherzigen. (Andreas Schnauder, 9.1.2017)